Psycho Raman
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Psycho Raman

(„Raman Raghav 2.0“ directed by Anurag Kashyap, 2016)

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„Psycho Raman“ ist seit 28. Oktober auf DVD und Blu-ray erhältlich

Ob Männer, Frauen oder Kinder, eigentlich ist Ramanna (Nawazuddin Siddiqui) völlig egal, wen er da ermordet. Und auch bei der Art und Weise ist er nicht sonderlich wählerisch, Hauptsache am Ende gibt es eine Leiche. Emotionale Bindungen spielen keine Rolle, vor ihm ist niemand sicher. Ein Mann wäre da aber schon, der ihm irgendwie ans Herz gewachsen ist: Raghavan (Vicky Kaushal). Der steht zwar eigentlich auf der anderen Seite des Gesetzes, fühlt sich aber ebenso wenig an dieses gebunden. Ob Frauen oder Drogen, er nimmt sich, was er will. Und auch vor Gewalt schreckt er kaum zurück. Eigentlich ist er sogar ein Seelenverwandter, so der Schluss von Ramanna.

Das indische Kino wird hierzulande ja ganz gern mal mit Bollywood gleichgesetzt: überlang, farbenfroh, kitschig. Zumindest das erste Adjektiv könnte man auf das über zwei Stunden dauernde Psycho Raman anwenden, farbenfroh durch stilbewusst ersetzen. Für Kitsch bleibt in dem Thriller jedoch kein Platz. Oder auch für Liebe. Ja, es gibt hier Frauen, immer mal wieder. Doch für die reicht nur die Rolle des Opfers: Wenn sie nicht gerade abgemurkst werden, sind sie anderweitig reine Objekte, die in einer männerdominierten Welt nichts zu sagen haben.

Allein deshalb schon ist das Center Piece vom Fantasy Filmfest 2016 alles andere als ein schöner oder netter Film, keiner, der einen an das Gute im Leben glauben lässt. Vielmehr macht es einem Psycho Raman schwer, Position für eine der Figuren zu beziehen. Die meisten sind schon tot, noch bevor sie einen Charakter entwickeln dürfen. Und die Gegenüberstellung von Ramanna und Raghavan, das ist dann doch die Wahl zwischen Pest und Cholera. Regisseur und Co-Autor Anurag Kashyap, der sich hier grob an einem tatsächlich in den 60er Jahren agierenden Massenmörder orientiert, versucht dabei nicht wirklich, dem Ganzen einen tieferen Sinn zu geben. Da mag der eine noch von Bestimmung und Schicksal faseln, am Ende läuft es darauf hinaus, dass manche Leute einfach böse sind. Ohne bestimmten Grund.

Die Spannung besteht bei dem Thriller dann auch weniger darin, welche Seite denn nun gewinnt, selbst wenn hier ein Katz- und Mausspiel im Mittelpunkt steht. Schließlich wünscht man weder dem einen, noch dem anderen einen „Sieg“. Stattdessen will man wissen, was der Blick in die menschlichen Abgründe sonst noch so hervorbringt. Während man Raghavan zumindest noch mit dem Label dreckiger Cop versehen könnte, ein Verbrecher, der nur zufällig eine Polizeimarke trägt, ist Ramanna der undurchsichtige von ihnen. Eigentlich weiß man bei ihm nie so genau, was einen als nächstes erwartet: ihm zuzusehen gleicht dem Griff in die Wundertüte.

Das ist auf seine Weise fesselnd, faszinierend und eben auch verstörend, selbst wenn die brutalsten Szenen nie explizit gezeigt werden. Dass Psycho Raman sehenswert ist, liegt dabei weniger an der überschaubaren Handlung. Sieht man einmal von einem schockierenden Moment polizeilicher Unfähigkeit ab, die das gesamte Land beschämen kann, hat Kashyap nicht viel zu erzählen. Zu zeigen dafür umso mehr. Die dreckigen Slums von Mumbai treffen dabei auf grell ausgeleuchtete Szenen, schicke Einrichtungen auf riesige Abfallberge. Die Welt des Thrillers wirkt oft nicht ganz real, so wie Ramanna nicht ganz menschlich wirkt. Ein Film, der einen abstößt und doch nicht mehr loslässt.



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Treffen sich ein Mörder und ein korrupter Polizist. „Psycho Raman“ schickt zwei Protagonisten auf eine Katz-und-Maus-Jagd, bei denen keiner sagen kann, welcher der schlimmere ist. Das ist inhaltlich zwar wenig ambitioniert, in seiner Abgründigkeit aber doch fesselnd und zudem stilvoll inszeniert.
7
von 10