(„Weinberg“ directed by Till Franzen and Jan Martin Scharf, 2015)
Woher er kam, kann er nicht sagen, ebenso wenig, wer er ist oder was er auf dem Weinberg zu suchen hatte. Nur eines weiß der Mann (Friedrich Mücke): Da hängt eine junge, tote Frau. In dem nahegelegenen Ort Kaltenzell an der Ahr steht man dem Fremden recht skeptisch gegenüber, umso mehr, da die angebliche Leiche nirgends zu finden ist. War dies alles nur Einbildung? Weshalb will die wieder Erwarten quicklebendige Weinkönigin Sophia Finck (Sinha Melina Gierke) dann aber, dass er ihr hilft? Und was hat es mit dem stummen Jungen Adrian Donatius (Jonah Rausch) auf sich, der anscheinend etwas über die Sache weiß und nur mit ihm redet? Es hilft nichts: Der Gedächtnislose muss etwas länger im Dorf bleiben. Denn nur so kann er hoffen, die Antworten und vielleicht auch seine Erinnerungen zu finden.
Dass in den letzten Jahren das Serienformat in den USA zu einer neuen Kunstform erhoben wurde, der sich selbst große Regisseure und Schauspielstars nicht entziehen können, mag für deutsche Zuschauer ja schön sein. Für deutsche Serienmacher ist es jedoch ein absoluter Alptraum. Haben schon Eigenproduktionen fürs Kino mit einem schlechten Image zu kämpfen, war der Qualitätsunterschied bei Serien geradezu unmenschlich. Umso größer dann der Druck für Kreative hierzulande, auch im Fernsehen mehr leisten zu müssen.
Weinberg ist eine dieser Serien, die ganz offensichtlich von den Erfolgen in Übersee beeindruckt, diese auch hier wiederholen möchten. Vergleiche zu Twin Peaks sind quasi unvermeidbar, zu offensichtlich sind die Parallelen zwischen beiden Serien, in denen die provinzielle Suche nach dem Mörder einer jungen Frau mit allerlei kuriosen Figuren einhergeht. Das sieht man immer wieder gern, zumal auch versucht wurde typische Mysteryelemente wie eben Gedächtnisschwund oder ein penetranter Nebel mit deutschen Bestandteilen zu verknüpfen. Wie oft ist schon ein Weinberg Schauplatz eines rätselhaften Verbrechens? Hinzu kommen einige skurrilere Charaktere wie eine Friseuse mit seherischen Fähigkeiten und ein vietnamesischer Pfarrer.
Es gibt bei der vom Privatsender TNT finanzierten Serie also durchaus einiges, das man mögen kann – aus Prinzip und ganz konkret. Leider aber auch ebenso viel, das man nicht unbedingt mögen muss. Zum einen wurde da zuweilen dann doch ein bisschen zu sehr auf amerikanische Mysterystandards geschielt und geklaut, ohne dass man so recht wüsste warum. Ein bisschen soll es wohl auch da ums Prinzip gehen, weshalb die Figuren alle so tun, als würde hinter jedem Halbsatz ein großes Rätsel warten. Dass hier jeder irgendwelche dunklen Geheimnisse mit sich herumschleppt, versteht sich ohnehin von selbst, in Kaltenzell kommen die Menschen schon als gescheiterte Existenzen zur Welt.
Das ist in Maßen der Stimmung noch förderlich, hier dann aber doch ein wenig zu viel des Guten. Denn je weiter die Serie voranschreitet, umso stärker dämmert einem, dass hinter dem sehr betont mysteriösen Gehabe der Menschen nicht wirklich viel steckt. Die Dialoge sind an vielen Stellen unnatürlich, ebenso lassen sich diverse Reaktionen der Charaktere kaum nachvollziehen. Einiges davon wird bei der Auflösung wieder relativiert, wenn einige vermeintlich plumpe Szenen doch noch cleverer sind. Insgesamt ist Weinberg aber eben nicht so clever, wie es gern wäre, vor allem die Hintergründe des Mordes sind erschreckend primitiv und konstruiert. Nein, mit den Vorbildern kann es die deutsche Variante daher nicht aufnehmen, dafür stimmt die Balance einfach noch nicht, ist aber doch immerhin ein Schritt in die richtige Richtung und zeigt, dass im deutschen Lande in puncto Atmosphäre noch ganz andere Dinge möglich sind.
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