(„Arrival“ directed by Denis Villeneuve, 2016)
Woher sie so plötzlich kamen, kann keiner so genau sagen. Und auch der Grund für ihr Erscheinen bleibt unklar. Fest steht nur, dass zwölf Raumschiffe gelandet sind, auf der ganzen Welt verteilt, die von eigenartigen Kreaturen bewohnt sind. Wissenschaftler aus aller Welt versuchen diesem Rätsel auf den Grund zu gehen, auch die USA erhielten Besuch der Aliens. Und so trommelt Colonel Weber (Forest Whitaker) ein Team aus Experten zusammen, darunter die Linguistin Louise Banks (Amy Adams) und den Physiker Ian Donnelly (Jeremy Renner), die den Kontakt zu den fremden Lebensformen herstellen sollen. Doch die Zeit drängt, denn andere Nationen fühlen sich von der Ankunft bedroht und planen bereits für den Ernstfall.
Kaum ein Regisseur hat in den letzten Jahren wohl eine ähnlich steile Karriere hingelegt wie Denis Villeneuve. Von den Kritikern wurde er schon länger geschätzt, unter anderem gab es eine Oscar-Nominierung als bester fremdsprachiger Film für Die Frau, die singt. Aber es sollte ein Trio aus Thrillern sein, das den Frankokanadier in den letzten drei Jahren an die vorderste Front seiner Zunft katapultiert hat: das moralisch fordernde Entführungsdrama Prisoners, das surreale Doppelspiel in Enemy und zuletzt das düstere Sicario, in denen Drogenkartellen der Kampf angesagt wurde. Wie würde er sich aber im Science-Fiction-Genre schlagen? Die Antwort darauf ist geteilt: Von vielen als einer der besten Filme des Jahres gehandelt, entfernt sich Arrival so weit weg von dem, was wir bei einem solchen Szenario erwarten dürfen, dass andere bitter enttäuscht (oder gelangweilt) das Kino verlassen haben.
Um es kurz zu sagen: Arrival ist ein Science-Fiction-Film, der eigentlich keiner ist. Einer, der viele Elemente verwendet, die in dem Genre dazugehören, sich aber nur zum Teil dafür interessiert. Vielmehr stehen hier, wie auch schon in Villeneuves letzten Filmen, die Figuren im Vordergrund, ihre Verbindung zum Thema, angereichert mit einigen ganz grundsätzlichen, geradezu existenziellen Fragen. Waren es zuvor oft solche zu Moral und Gerechtigkeit, die auch vom Publikum nur schwer zu beantworten waren, macht es sich der Regisseur und Drehbuchautor dieses Mal einfacher: Miteinander reden ist die Antwort, Krieg ist keine echte Option. Zusammen mit den leicht nationalistischen Tendenzen – die Chinesen und Russen sind hier die kriegstreibenden „Bösen“ – ist der Aspekt enttäuschend simpel, der größte Schwachpunkt in einem ansonsten so bemerkenswert nachdenklichen Film.
An Stelle dieser Überlegungen treten dafür zwei andere – eine sehr universelle, eine sehr persönliche. Letztere wird an Amy Adams aufgehängt, die hier kurz vor Nocturnal Animals den ersten großen Beweis noch mal vor Augen führte, warum sie zu den besten Darstellerinnen unserer heutigen Zeit gehört. Ihr gefühlvoller Zugang zu den Außerirdischen und der Materie, die Sehnsucht nach Verständnis und Austausch, ihr Ringen mit sich selbst in Verbindung mit einer zu Herzen gehenden Geschichte bilden das emotionale Fundament in dem nach außen hin so unterkühlten, technokratischen Film. Lange scheinen diese Positionen ganz unabhängig voneinander zu existieren, auch unvereinbar zu sein, bis Villeneuve in einem Kniff die losen Fäden zusammenführt.
Doch schon vorher gibt es genug Stoff zum Nachdenken, vor allem Sprachinteressierte werden in Arrival eine unerwartete Heimat finden. Nicht nur, dass hier – wenn auch sehr vereinfacht und etwas hastig – die Frage abgehandelt wird, wie denn der Austausch mit einer fremden Sprache funktionieren soll, die nicht nur anderen grammatikalischen Regeln folgt und keine phonetisch erkennbare Worte enthält, sondern auch nicht unserem Empfinden für Schrift entspricht. Es ist vor allem die philosophische Grundsatzfrage, inwiefern Sprache und Denken zusammenhängen, die hier im Raum steht. Bilden Worte unsere Welt ab oder folgt unsere Weltsicht unseren Worten? Das wird hier anhand eines etwas kuriosen Falls vorgeführt, der das eine oder andere Logikloch zurücklässt, aber trotz allem weit in den Alltag der Menschen hineinstrahlt – unabhängig von Aliens, Raumschiffen oder Kriegsszenarien. Man hätte das Drumherum auch weglassen können, die Invasion, die Aliens, die Gedanken würden ihre Gültigkeit beibehalten.
Wer in einen Science-Fiction-Film geht, allen voran solchen, in denen Außerirdische zur Erde kommen, um dabei krachende Actionszenen zu sehen, der ist hier daher an der falschen Adresse. Ganz vereinzelt wird es etwas brenzliger, ansonsten aber ist Arrival einer der ruhigsten Genrevertreter, die man in der letzten Zeit sehen durfte. Doch diese Zurückhaltung und das langsame Tempo sind nicht mit Langeweile gleichzusetzen. Wer sich darauf einlassen kann, dass das Szenario zeitweise nicht mehr als ein Mittel zum Zweck ist, der wird mit einem der anspruchsvolleren Mainstreamwerke belohnt, das auch audiovisuell ganz eigene Wege geht. Selbst wenn nicht viel zu sehen ist, die fremdartigen Geschöpfe und ihr eigenwilliges Gefährt – begleitet von einem bedrohlich-befremdlichen Score des Isländers Jóhann Jóhannsson, der auch schon Sicario zu einem unheimlichen Ereignis machte – ergeben zusammen ein packendes Kinoerlebnis, wie man es nur selten machen darf. Und eines, das die Wartezeit auf Villeneuves Blade Runner 2049 nächsten Oktober sehr, sehr lang werden lässt.
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