(„Captain Future“ directed by Tomoharu Katsumata, 1978-1979)
Und wir bleiben im Weltraum: Nachdem wir uns letzte Woche die absurden Abenteuer in Rick and Morty zu Gemüte geführt haben, steht im 138. Teil unseres fortlaufenden Animationsspecials ein deutlich älterer Genreverwandter auf dem Programm – mit teils ebenso abgefahrenen Ideen.
Wo auch immer das Böse das Weltraum bedroht, da ist er zur Stelle: Captain Future! Seit der Ermordung seiner Eltern hat sich der Sohn des genialen Wissenschaftlers Roger Newton dazu entschlossen, für das Gute zu kämpfen und Schurken das Handwerk zu legen, in welchen Weiten des Alls sie auch ihr Unwesen treiben. Glücklicherweise ist er bei dieser Aufgabe nicht allein: Roboter Grag, Android Otto und das geniale Gehirn Simon Wright sind immer zur Stelle, wenn es darum geht, Frieden und Gerechtigkeit zur verteidigen. Vervollständigt wird die Crew des Raumschiffs Comet durch die hübsche Joan Landor und den aufgeweckten Jungen Kent.
Das erste bewusste Kennenlernen der japanischen Zeichentrickkunst begann für viele ja erst in den 1990ern. Dabei ist eine ganze Generation mit Animes aufgewachsen, ohne sich über deren Herkunft bewusst zu sein. Vor allem die kindlicheren Vertreter wie Heidi, Sindbad, Alice im Wunderland oder Die Biene Maja wurden zu einem ständigen Begleiter. Zumindest ein etwas erwachsenerer Kollege durfte aber auch nicht fehlen, wenn in deutschen Wohnzimmer der Fernseher anging: Captain Future. Dass die Science-Fiction-Serie aus Fernost stammte, sah man ihr natürlich nicht an, mit der heutigen Ästhetik hat der 1978 produzierte Anime nichts gemeinsam. Inhaltlich waren die Wurzeln aber ohnehin im Westen gewesen, denn die Grundlage für die 52 Folgen bildete eine in den 40ern von Edmond Hamilton geschriebene Romanreihe.
Moment, 52 Folgen? Manch einer wird dabei stutzig werden, aus gutem Grund: In Deutschland gab es nur 40 Folgen. Wie bei diversen anderen Serien aus dieser Zeit (Captain Harlock), so musste auch der rothaarige Weltraumabenteurer hierzulande mächtig Federn lassen. Dabei wurden keine Episoden ganz gestrichen, vielmehr die Geschichten insgesamt stark zusammengestaucht und um die angeblich jugendgefährdenden Szenen erleichtert. Das Ergebnis ist eine zweischneidige Angelegenheit: Einerseits darf man darüber dankbar sein, dass es Captain Future auf diese Weise überhaupt hierher geschafft hat, zumal das japanische Original auch mit Längen zu kämpfen gehabt haben soll. Allerdings merkt man den Geschichten oft an, dass da etwas fehlt. An vielen Stellen wird die Handlung durch einen Erzähler vorangetrieben, der das zusammenfasst, was der Schere zum Opfer gefallen war. Verständlich sind die Abenteuer trotz allem, aber eben doch etwas überhastet präsentiert: Hier wird in einem Affentempo von Ort zu Ort gerannt, fremde Völker besucht, Freunde befreit und dabei oftmals auch gekämpft. Als Kind war die Geschwindigkeit, in hier alles passiert großartig, mit einigem Abstand realisiert man aber durchaus, wie wirr das ist.
Und auch bei der visuellen Umsetzung gibt es ohne die Nostalgiebrille die eine oder andere ernüchternde Erkenntnis. Gerade bei den Kämpfen zeigen sich die 38 Jahre, die Captain Future nunmehr auf dem Buckel hat, schon recht deutlich. Das Traditionsstudio Toei Animation (Galaxy Express 999“ Goldorak – Kampf der Welten) hatte offensichtlich nicht die Zeit oder auch das Geld, um viel in die Optik zu investieren. Entsprechend sparsam sind die Animationen, auch die oft einfachen Hintergründe sind nicht mehr zeitgemäß.
Zeitlos ist jedoch der fantastische Synthiesoundtrack von Christian Bruhn, der die deutsche Fassung zu etwas ganz Besonderem machte. Ob es das Titellied ist, welches sich auch heute noch unbarmherzig in jedes Ohr wurmt oder der atmosphärische Score, ohne diese musikalische Untermalung wäre der Anime einfach nicht dasselbe. Den Beweis liefert der im Anschluss an jede Folge gezeigte japanische Endsong bzw. das erstmals in Deutschland veröffentlichte Serienspecial Sternstraße zum Ruhm, welches untertitelt und ohne akustische Änderungen auf die Disc gepresst wurde: Da treffen Jazzklänge auf Schnulzen, die Schwere zwischen den Bildern und der Musik ist schon enorm. Unpassend? Ja. Gleichzeitig aber auch passend für eine Serie, in der die unmöglichsten Dinge zusammengeworfen wurden: Dinosaurier, Zeitreisen, Seelenwanderung, Parallelräume, dazu noch kuriose Weltraumvölker und pseudowissenschaftliche Erklärungen.
Der Spaßfaktor ist also ungebrochen hoch, Captain Future fährt wirklich alles auf, was das Science-Fiction-Genre so aufbringt, ohne Angst davor, auch mal kräftig übers Ziel hinauszuschießen. Hier wurde nicht versucht, tiefschürfende Gedanken unters Volk zu bringen oder etwas über die menschliche Natur zu sagen, man nahm sich selbst auch nicht so wahnsinnig ernst. Der Anime ist auch bald vier Jahrzehnte später unbekümmerte, actionreiche, teils überaus kreative Massenunterhaltung mit witzigen Figuren, in der dramatische, spannende und witzige Elemente zusammenfinden – allein schon die ständigen Streitereien zwischen Roboter Grag und dem gestaltwandelnden Gummi-Androiden sorgen noch immer für ein breites Grinsen auf den Gesichtern der Zuschauer. Umso schöner, dass die lange Zeit nur noch antiquarisch und zu Mondpreisen erhältliche Serie rechtzeitig zu Weihnachten wiederveröffentlicht wurde, aufwendig restauriert sogar. Und wer sich noch ein bisschen mehr gönnen mag, der greift zu der Limited Edition, die – zu einem saftigen Aufpreis jedoch – die ungeschnittenen japanischen Folgen mit Untertiteln und Original-Soundtrack enthält.
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