(„Crazy About Tiffany’s“ directed by Matthew Miele, 2016)
Dokumentationsfilme leben stärker noch als ihre fiktiven Kollegen davon, wie sehr man sich als Zuschauer mit deren Inhalten identifizieren kann. Geht es um ein Thema, das mir so nahe liegt, dass ich gern mehr darüber erfahren möchte? Oder ist es im Gegenteil so abwegig und einzigartig, dass ich dadurch eine neue Welt kennenlerne? Crazy About Tiffany’s, welches sich der berühmten Juwelen-Marke verschrieben hat, ist irgendwie beides auf einmal. Und gleichzeitig nichts davon.
1837 als „Tiffany, Young and Ellis“ gegründet und 1853 in das heutige „Tiffany & Co“ umbenannt, steht das Unternehmen wie kaum ein anderes für Luxus und Glamour. Und Preise, die nicht von dieser Welt sind. Engere Berührungspunkte dürfte es deshalb nur für die wenigsten unter uns geben, die Eintrittskarte in das Juwelenwunderland einfach unerschwinglich sein. Dass in Matthew Mieles Dokumentarfilm nicht unbedingt der Mann vor der Straße befragt ist, ist klar, hier kommen ausschließlich Modegrößen, Hollywoodstars oder irgendwelche anderen Berufsprominenten vor die Kamera, bei denen man gar nicht so genau sagen kann, was sie dazu befähigt, etwas zu dem Thema beizutragen.
Aber es ist auch nicht der neutrale Blick von außen, der Miele interessiert, die Chance auch das einfache Volk zu befragen, was es mit der Marke verbindet, die ignoriert er völlig. Stattdessen kommen Menschen zu Wort, die zum Valentinstag dann gleich zwei sündhaft teure Ringe geschenkt bekommen, weil der Ehemann sich beim ersten Einkauf nun mal leider vertan hat. Davon geht durchaus eine gewisse verstörende Faszination aus, ist in etwa so, als würde man in einer Naturdokumentation bizarre Tiefseewesen sehen, die in einer derart anderen Umgebung leben, dass man keine Gemeinsamkeiten mehr entdecken kann.
Miele tut dann auch viel dafür, dieses Gefühl der Faszination aufrechtzuerhalten, entweder durch Interviews mit Zeitgenossen, die sich in die Steine, die blauen Tüten oder den Mythos rund um Tiffany’s verliebt haben. Bei aller Bezauberung darf aber auch ein Ausflug in die Popkultur nicht fehlen, wohl um die formal nicht allzu hohe Abwechslung – eigentlich besteht Crazy About Tiffany’s fast ausschließlich aus Hochglanz-Interviews – ein bisschen zu kaschieren. Da wäre allen voran natürlich der Komödienklassiker Frühstück bei Tiffany, auch Sweet Home Alabama wird behandelt, selbst der Gassenhauer „Breakfast at Tiffany’s“ des 90s One-Hit-Wonders Deep Blue Something darf nicht fehlen.
Allgemein hat man hier ein bisschen den Eindruck, nicht in der Gegenwart mehr zu sein, was neben dem abgehobenen Thema auch am mangelnden Tiefgang liegt. Über die Historie des immerhin 179 Jahre alten Unternehmens erfährt man fast gar nichts, über die technischen Vorgänge bei der Herstellung des ikonischen Schmucks wird nur beiläufig etwas gesagt. Dafür gibt es Ausflüge auf den roten Teppich und so viele Floskeln, dass man im Anschluss schon nicht mehr weiß, wer da was von sich gegeben hat. Oder ob auch das nur ein Traum war. Oftmals ist Crazy About Tiffany’s dann auch nicht viel mehr als ein Werbevideo, das man sich als Instore-Dokumentation gut vorstellen könnte. Wer also ein bisschen mehr über die Institution lernen möchte oder auch warum so viele ihrem Zauber verfallen sind, der kommt mit einem kurzen Wikipedia-Ausflug besser, schneller und günstiger weg. Wer jedoch selbst schon verzaubert ist oder ein bisschen Glamourluft schnuppern möchte, der findet hier ein fast schon erschreckend passendes filmisches Pendant, das ebenso oberflächlich glitzernd ist wie die die darin auftauchenden Menschen.
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