Hitzewelle
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Hitzewelle

(„Blind Sun“ directed by Joyce A. Nashawati, 2015)

hitzewelle
„Hitzewelle“ läuft im Rahmen der FEMMES TOTALES Filmtour seit 24. November im Kino

Ein tolles neues Leben in der Fremde anfangen? So richtig geklappt hat das für Ashraf (Ziad Bakri) ja nicht. Seine Aufenthaltsgenehmigung hat der arabische Immigrant zwar, sonderlich willkommen fühlt er sich in seiner Wahlheimat Griechenland jedoch nicht. Immerhin hat er einen lukrativen Job an der Angel: Er soll sich um die Villa und die Katze einer französischen Familie kümmern, während diese verreist ist. Seine Ruhe hat er aber auch hierbei nicht: Wenn nicht gerade die Besitzer aus der Ferne anrufen, um ihn zu überwachen, kommen unangemeldet Freunde der Familie vorbei. Schlimmer noch ist aber das Gefühl, dass da jemand anderes im Haus ist, der ihn beobachtet und belauert.

Und schon wieder ein düsterer Film, der sich mit der aktuellen Situation in Griechenland auseinandersetzt. Nach Werken wie dem Schuldenthriller Mittwoch 04:45 oder dem Beziehungsdrama A Blast ist es nun Hitzewelle, welche ein trotz makelloser, idyllischer Landschaften wenig einladendes Bild des südeuropäischen Landes zeichnet. Wobei der Bezug zu der konkreten Nation gar nicht so stark ist. Vielmehr packt die libanesische Regisseurin und Drehbuchautorin Joyce A. Nashawati bei ihrem Spielfilmdebüt ein ganzes Füllhorn an Themen aus, die überall und nirgends passen, singulär und doch erschreckend universell sind.

Zunächst einmal sind in dem Film ausgerechnet Griechen kaum anzutreffen: Die Hauptpersonen sind ein arabischer Immigrant und eine französische Familie, die sich eine Luxusvilla in dem vom Schulden geplagten Land gekauft hat. Damit sind gleich zwei der Themen etabliert, die Nashawati innerhalb der anderthalb Stunden verfolgt: Das Schicksal von Flüchtlingen in der Fremde, die Fremdbestimmtheit von Griechenland. Beides sind absolut aktuelle Themen, selbst wenn Letzteres im medialen Interesse wieder deutlich nach unten gerutscht ist. Und: Beide hängen natürlich zusammen, befassen sich mit der Frage, wie wir mit anderen Menschen umgehen, vor allem mit anderen Lebensweisen und Überzeugungen.

Eine Antwort darauf gibt Hitzewelle jedoch nicht, genauer stellt der Film diese Fragen oftmals auch nur implizit. Gesprochen wird hier nämlich so gut wie gar nicht, sobald ein Thema erst einmal etabliert wurde. Wenn Ashraf nicht gerade abschätzige Kommentare durch die französische Familie über sich ergehen lassen muss, dann hat er Ärger mit einem offensichtlich leicht sadistischen Polizisten, der auch aus einem Slasher-Horrorfilm stammen könnte. Allgemein nimmt das Werk mit der Zeit immer sinistere Züge an, wandelt sich von einem Gesellschaftsporträt zu einem Psycho-Thriller, der – wie bei vielem hier – offen lässt, was gemeint ist. Ist der seltsame Schatten, den der Immigrant sieht, eine bloße Einbildung, der grundsätzlich feindseligen Stimmung entnommen? Oder treibt da tatsächlich jemand sein Unwesen?

Vielleicht hat Ashraf aber auch nur einen Hitzekoller, denn das ist das dritte große Thema des Films: die Wasserknappheit. Immer wieder handeln dystopische Werke davon, wie wir in Zukunft ohne die wertvolle Ressource auskommen müssen, der Kampf um das lebensnotwendige Nass unsere Gesellschaft bestimmt. Ganz so weit ist es bei der französisch-griechischen Produktion noch nicht, streng rationiert wird aber auch hier schon, was dem Psychothriller zugleich eine zukünftige Note gibt. Und eine unwirkliche: Der Kontrast zwischen den ausgedörrten Landschaften, den ausgemergelten Menschen und Tieren auf der einen Seite, der Luxusvilla mit dem Swimming Pool auf der anderen, mehr braucht Nashawati gar nicht, um den Kontrast zwischen arm und reich herauszuarbeiten. Dass sowohl Geschichte wie auch Figuren sehr sparsam angelegt sind, wir über die Hintergründe so gut wie nichts erfahren, das spielt daher auch keine große Rolle. Hitzewelle ist ein ausgesprochen minimalistischer Thriller, der nur über Bilder und die unheilvolle Musik sehr viel Spannung und Atmosphäre aufbaut, der einen gleichzeitig mit wunderbaren Aufnahmen hypnotisiert und dabei den Schrecken lehrt – vor den Menschen, der Welt, der Zukunft.



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Das Wasser ist knapp, Menschlichkeit noch knapper: „Hitzewelle“ ist ein ebenso minimalistischer wie spannender Psycho-Thriller, der ohne viele Worte, dafür mit wunderbaren Aufnahmen viele relevante Themen wie Flüchtlingsproblematik oder Wasserknappheit anspricht und den Zuschauer damit alleine lässt.
7
von 10