(„Junges Licht“ directed by Adolf Winkelmann, 2016)
Es ist schon nicht einfach im Leben von Julian (Oscar Brose): Immer wieder gerät der 12-Jährige mit seiner Mutter Liesel (Lina Beckmann) aneinander, der Vater Walter (Charly Hübner) ist schwer mit seiner Arbeit im Kohlebergwerk beschäftigt, die Teenagerclique, in der er so gern wäre, macht sich einen Spaß draus, ihn zu schikanieren. Für Abwechslung sorgt in diesen tristen Zeiten eine Kamera, die ihm sein Vermieter Konrad Gorny (Peter Lohmeyer) gegeben hat. Und natürlich die 15-jährige lebenshungrige Nachbarin Marusha (Greta Sophie Schmidt), die ihm so einiges über das Leben zu erzählen hat.
Ein bisschen ironisch ist es ja schon, wenn dieser Film den Titel Junges Licht trägt. Denn von Licht ist in dem düsteren Drama nur relativ wenig zu sehen. Gleich zu Beginn nimmt uns Regisseur Adolf Winkelmann mit in das Kohlebergwerk, lässt die Kumpel schuften und malochen, ohne dass sie dabei auch nur ein Wort sagen dürfen. Und auch wenn es später an die Erdoberfläche geht, die Menschen tatsächlich miteinander sprechen, es ist nicht unbedingt ein schönes Bild, welches er da vom rauchbedeckten Ruhrgebiet in den 60ern zeichnet.
Es ist die Zeit des Wirtschaftswunders, welche uns der Filmemacher da näherbringt, eine Zeit, die er selbst dort verbracht hat. Entsprechend authentisch und ungeschönt kommt es daher, wenn er bei seiner Adaption von Ralf Rothmanns gleichnamigen Roman einen Heranwachsenden zeigt, dessen Welt nur wenig Platz für Wunder lässt. Seine Mutter nimmt gern und oft den Kochlöffel, wenn sie mal wieder meint, der Sohnemann hätte sich daneben benommen, es gibt unangenehme Situationen mit dem augenscheinlich pädophil veranlagten Vermieter, auch sonst hat er nicht viel zu lachen – nicht in der Schule, nicht privat.
Und doch ist Junges Licht nicht die Geschichte eines tragischen Lebens, sondern vielmehr eine überzeugende Mischung aus Zeitkolorit und Coming-of-Age-Elementen, welche mit Abstrichen auch 50 Jahre später noch gelten würden. Die Unsicherheit beim anderen Geschlecht, der Wunsch, Teil einer coolen Clique zu sein. Und zwischen endlich mal wieder Hähnchen mit Pommes essen dürfen! Natürlich hat hier noch keiner Smartphones, soziale Netzwerke bestanden noch darin, rauszugehen und jemanden zu suchen, der Zeit hat und die Langeweile des Sonntags durchbricht. Das gibt dem Film an manchen Stellen eine leicht nostalgische Note, wehmütig, die Erinnerung an eine Ära, die aus mehreren Gründen nie zurückkommen wird. Und die Erinnerung an ein Alter, in dem man mit großen Augen durch die Gegend läuft, versucht in dem trüben Chaos einen persönlichen Sinn zu finden.
Ähnlich suchend ist dann auch der Film, der weniger eine durchgängige Geschichte erzählt, als vielmehr eine Aneinanderreihung von Einzelerlebnissen, die Julian während jenes Sommers hat, der mal stinklangweilig, dann wieder sehr aufregend ist. Ähnlich variantenreich ist auch die Optik, die abwechselnd ein Breitwandformat, dann wieder ein quadratisches verwendet, ebenso regelmäßig zwischen Schwarz-Weiß- und Farbbildern tauscht. Warum Winkelmann das so handhabt, wird nicht ganz klar, aus dem Inhalt ist dieses Unbeständige kaum abzuleiten. Aber es passt zu dem Leben des jungen Protagonisten, das alle Stimmungsschwankungen kennt, die dieses Alter so mit sich bringt. Und zu einem Film, der das Realistische und das Poetische miteinander kreuzt, das Nüchterne mit dem Träumerischen, dabei von einem wunderbaren Ensemble, allen voran dem nuanciert auftretenden Nachwuchsdarsteller Oscar Brose zusammengehalten wird.
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