(„Love & Friendship“ directed by Whit Stillman, 2016)
Selbst ist die Frau: Als Lady Susan Vernon (Kate Beckinsale) in jungen Jahren schon ihren Gatten verliert, hält sie sich nicht lange mit Trauern oder Lamentieren auf. Warum auch? Sie ist schön, intelligent und noch dazu völlig skrupellos, wenn es darum geht, andere Menschen für sich auszunutzen – selbst wenn es sich dabei um verheiratete Männer handelt. Noch besser wäre aber natürlich ein wohlhabender Junggeselle, den sie sich nicht mit jemand anderem teilen muss. Und einen solchen hat sie auch schon im Auge: Reginald DeCourcy (Xavier Samuel), der jüngere Bruder von Susans Schwägerin Catherine (Emma Greenwall). Doch gerade als ihr schöner Plan endlich Früchte zu tragen scheint, funkt ihr ausgerechnet ihre Tochter Frederica (Morfydd Clark) dazwischen, die aus einem Internat geflogen ist, offensichtlich Gefallen an Reginald findet und sich auch sonst an keine Anweisungen ihrer Mutter hält.
Man musste manchmal schon – je nach persönlicher Veranlagung – einen großen Vorrat an Taschentüchern oder eine hohe Resistenz gegenüber Kitsch mitbringen, um eine Verfilmung von Jane Austens Romanen ertragen zu können. Eine hübsche, junge Frau stand dort meistens im Mittelpunkt, zu gut für diese Welt und deswegen auf der Verliererstraße, bis sich am Ende doch alles zum Guten wendet und sie das bekommt, was ihr zusteht. Lady Susan ist keine dieser Frauen. Nicht, dass es ihr an dem passenden Aussehen mangeln würde, wohl aber an der Geduld oder dem Gottvertrauen, als dass sie ihr Schicksal anderen überlassen würde. Stattdessen nimmt sie dieses selbst in Hand, sowie alles andere, derer sie habhaft werden kann, ohne Rücksicht auf Verluste.
Diese Abkehr von dem üblichen Frauenbild ist nicht nur für einen Austen-Film ungewöhnlich, auch „moderne“ Liebeskomödien würden sich davor hüten, eine derart manipulative Titelfigur einzuführen, wie es Love & Friendship tut. Eine, die sonst eher eine Antagonistinnenrolle einnehmen würden. Aber um Liebe geht es hier ohnehin nur am Rande. Ja, Frederica darf von großen Gefühlen träumen. Doch die füllen nun mal keine Mägen, kaufen einem auch keine hübschen Kleider. Anziehungskraft wird deshalb zur Waffe umfunktioniert, die männliche Sehnsucht nach Schönheit gnadenlos ausgenutzt, um in einer patriarchalischen Gesellschaft einen Plan für sich zu erkämpfen.
Das könnte so mancher im Publikum etwas schockieren, umso mehr, wenn der etwas irreführende Titel einen von unsterblicher Liebe und selbstloser Gesten träumen lässt. Die meisten dürften aber viel zu sehr mit Lachen beschäftigt sein, denn Love & Friendship ist in erster Linie unglaublich komisch. Regisseur und Drehbuchautor Whit Stillman lässt hier ein ganzes Feuerwerk an Gemeinheiten los, die Dialoge sind bei all der Schönfärberei von einer solchen Schärfe, dass man als Zuschauer blutend das Kino verlässt, jeder Auftritt von Lady Susan ist davon geprägt, den eigenen Nutzen zu finden und ihr Umfeld durch kleine Intrigen oder geschicktes Reden in die gewünschte Richtung zu treiben. Nein, sympathisch ist einem das bezaubernde Monster nicht unbedingt, aber gerade wenn sie sich mit ihrer Freundin und Mitbeschwörerin Alicia Johnson (Chloë Sevigny) austauscht, entwaffnend komisch – auch dank einer präzise auftretenden Kate Beckinsale, der man eine solche Leistung wohl kaum mehr zugetraut hätte.
Schön anzusehen ist Love & Friendship dabei auch. Zwar ergibt sich Stillman nicht ganz so sehr den erlesenen Landschaftsaufnahmen und Kostümgemälden – was bei einem Budget von nur 3 Millionen Dollar auch kaum möglich gewesen wäre –, liefert aber doch einen reizvollen Kontrast zwischen einer nach außen hin unschuldig-schönen Oberschicht und dem verdorben-selbstbezogenen Innere. Einziger Wermutstropfen bei dem hohen Unterhaltungsfaktor ist, dass die Geschichte an sich nur wenig hergibt: Da wird von Episode zu Episode gesprungen, viele Zwischenschritte fehlen völlig, manchmal hat der Film eher Sitcom-Charakter. Das ist einerseits verständlich, da der zugrundeliegende Briefroman „Lady Susan“ ebenfalls nur kurz gehalten war, andererseits aber doch schade, denn so schnell wie hier vergeht die Zeit im Kinosaal nur selten. Da hätte man ausnahmsweise gerne mal länger drin gesessen, um noch mehr Dekonstruktionen einer feinen Gesellschaft erleben zu dürfen.
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