Jeder ist seines Glückes Schmied. Heißt es. Wie wenig das mit unserem Alltag zu tun hat, das beweist uns wieder einmal „The Networks“. Nicht nur, dass es hier darum geht, als Leiter einer eigenen Fernsehanstalt die Zuschauer glücklich zu machen – je mehr, desto besser –, mein Unternehmen gedeiht nur dann wirklich, wenn auch Madame Fortuna mit am Tisch sitzt. Je näher desto besser. Vor allem beim Kartenausteilen ist es doch von einer gewichtigen Bedeutung, ob da gerade etwas Passendes für mich dabei ist, die passende Showkarte, die passende Aktionskarte. Und da bei dem Gesellschaftsspiel nahezu alles mithilfe von Karten funktioniert, sollte man bei seinen Planungen lieber noch ein kleines Schlupfloch lassen, einen Plan B, wenn mal wieder alles ganz anders kommt, als man es sich als ambitionierter Unterhaltungsmogul vorher schön ausgemalt hat. Denn erstens kommt es anders und zweitens als man sendet.
Dabei klingt die Aufgabe in der Theorie noch ganz simpel: Drei Sendeplätze wollen gefüllt werden, um 20 Uhr, 21 Uhr und 22 Uhr. Je hochkarätiger die Sendung, je prestigeträchtiger die Stars, je ertragreicher die platzierten Werbungen, umso näher komme ich meinem Ziel, am Ende die meisten Zuschauer und damit das Fernsehkrönchen zu haben. Die Realität sieht aber so aus, dass ich zunächst froh bin, wenn ich mit meinem bisschen Startkapital und den Serien, die man nicht einmal selbst sehen wollte, so über die Runden komme. Schaffe ich es doch mal, ein bisschen Geld anzusammeln, dann muss es gleich wieder investiert werden, etwa in neue Serienkonzepte, die zu jeder der fünf Seasons ausgelegt werden oder auch bekannte Gesichter, hinter denen ich platte Plots verstecken kann.
Dumm nur, dass ausgerechnet die teils sehr zickig sind – die Gesichter UND die Plots. Dass beispielsweise der Soap Opera Star nur dann seine volle Wirkung zeigt, wenn er bei einem Drama mitwirkt, ist ja noch nachzuvollziehen. Dass aber die Sitcom „North Lawn“ – South Park lässt grüßen – vor 22 Uhr kein Schwein interessiert, das macht die Sache dann aber doch etwas komplizierter. Vergleichbare wenn-dann-Bedingungen findet man oft, sodass man hier manchmal schon etwas länger warten muss, bis eine tatsächlich rentable Kombination aus Sendung, Sendezeit, Star und Werbung gefunden wurde. Immerhin gibt es währenddessen einiges zu lachen, denn die Karten sind sehr liebevoll gestaltet, machen sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit über das Showgeschäft lustig.
Richtig anspruchsvoll ist der Spielablauf nicht, der aus Shows kaufen, Stars kaufen, Anzeigen an Land ziehen und dem Jonglieren zwischen verschiedenen Timeslots besteht. Was hier, wie auch beim thematisch ähnlichen, etwas komplexeren „Prime Time“, fehlt, sind tatsächliche Zufallselemente, die den Ablauf beeinflussen. Und auch die Interaktivität ist in beiden Fällen recht gering, trotz diverser Interaktionskarten, die bei der fortgeschrittenen Variante dazukommen. So ist es etwa nicht möglich, Stars miteinander zu tauschen oder auch zu verkaufen. Sie von einer Show in eine andere zu stecken und somit zu einem Comeback zu verhelfen, ist ebenfalls nicht vorgesehen. Da wäre ein bisschen mehr Flexibilität doch ganz schön gewesen.
Spaß macht das strategische Mittelgewicht des Designers Gil Hova aber durchaus, trotz der Vereinfachungen: Das Thema ist gut aufgearbeitet, die einzelnen Mechanismen greifen passend ineinander, die Spielzeit fällt ebenfalls angenehm aus – lang genug, um seinen Sender wachsen zu sehen, kurz genug, damit keine Langeweile aufkommt. Dazu gibt es ein paar clevere Ideen, um die Spannung hochzuhalten. Indem beispielsweise jede Show und jeder Star eine Art Verfallsdatum haben, ist jeder Mitspieler gezwungen, ständig nach neuen Talenten Ausschau zu halten, auf alten Lorbeeren ausruhen ist nicht, auf Wiederholungen ebenso wenig. Abgerundet wird das leider bislang nicht in Deutschland erschienene „The Networks“ durch Sonderregeln für ein 2er-Spiel und sogar eine eigene Solospielervariante. Wer sich für das Thema Fernsehen erwärmen kann, findet hier deshalb einen würdigen Vertreter, der einem auch – manchmal schmerzhaft – vor Augen führt, warum das Angebot im Flimmerkasten oft so mies ist. Fortuna war es.
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