Vaiana
© 2016 Walt Disney

(„Moana“ directed by John Musker and Ron Clements, 2016)

„Vaiana“ läuft ab 22. Dezember im Kino

Während die anderen Kinder oft Angst bekamen, wenn die alte Tala ihre unheimlichen Geschichten aus der Vorzeit erzählte, war ihre Enkelin Vaiana immer voller Begeisterung dabei. Spannende Abenteuer, das weite Meer, fremde Länder – für die Tochter des Motunui-Häuplings Tui gab es nichts Größeres, von der Welt da draußen zu erfahren. Sie selbst zu sehen, das ist ihr jedoch verboten, wie auch allen anderen Inselbewohnern. Erst als ihr Stamm einer Hungersnot entgegengeht, weder Kokosnüsse noch Fische bekommt, macht sich die 16-Jährige heimlich auf den Weg, um auf Rat von Tala den Halbgott Maui zu finden. Denn nur er kann das Unglück noch verhindern.

Nachdem die Animationsstudios von Disney in den 00er Jahren ihren Tiefpunkt erreicht haben, fanden sie zuletzt mit einer Reihe großer Hits zu neuer, alter Stärke zurück. Dieses Jahr durfte sie sogar gleich mit zwei Filmen beweisen, dass nach wie vor mit ihnen zu rechnen ist, sie nach Meinung vieler ihre hauseigene Tochter Pixar sogar überflügelt haben. Dabei könnten Zoomania und das nun startende Vaiana unterschiedlicher kaum sein. Während das tierische Abenteuer eine erstaunlich aktuelle Geschichte zum Thema Gleichberechtigung zu erzählen hat, ist der Ausflug der Inseljugendlichen sehr viel klassischer. Kein Wunder, führten hier doch John Musker und Ron Clements Regie, die in den 80ern mit Basil, der große Mäusedetektiv und Arielle, die Meerjungfrau erst den Grundstein legten für die oft gerühmte Disney Renaissance.

Eine starke Heldin, tierische Sidekicks, viel Humor, dazu eine Menge Musik – das sind Zutaten, mit denen Disney immer ganz gut gefahren ist. Und doch ist Vaiana keine rein altmodische Geschichte, verknüpft vielmehr das Traditionelle mit dem Modernen. Da wären zum einen die Bilder: Musker und Clements, die hier ihren ersten computergenerierten Animationsfilm abliefern, holen aus der aktuellen Technik so viel heraus, als hätten sie ihr Leben lang noch nicht mit etwas anderem gearbeitet. Vor allem die Wassereffekte sind eine Klasse für sich, das Meer ist nicht nur Hintergrund, sondern wird zu einem eigenen Charakter. Aber auch wenn Vaiana und Maui Land betreten, gibt es eine Menge zu bewundern: Die visuelle Abwechslung kann es aufgrund des einschränkenden Pazifik-Settings nicht mit der Wunderstadt in Zoomania aufnehmen, in punkto Animationen werden aber neue Maßstäbe gesetzt, hinzu kommen die wunderbaren Designs von Freund und Feind, die im festgefahrenen CGI-Animationsalltag für frischen Wind sorgen. Die Liebhaber traditioneller 2D-Zeichnungen dürfen sich ebenfalls auf ein kleines Geschenk in Form einer vorlauten und gleichzeitig stummen Mini-Figur freuen.

Inhaltlich ist das mit den neuen Wegen nur zum Teil der Fall. An einigen Stellen nimmt sich Vaiana selbst auf den Arm, indem es typische Disney-Elemente aufs Korn nimmt. Bemerkenswert ist auch, wie der Trend zu selbständigen Heldinnen hier konsequent fortgesetzt wird. Waren in Die Eiskönigin – Völlig unverfroren romantische Verwicklungen zumindest noch mitverantwortlich für das folgende Abenteuer, ist hier weit und breit kein Mann für die junge Heldin in Sicht. Außer Maui natürlich, und der liebt in erster Hinsicht sich selbst, bevor er die zu erwartende Verwandlung zu einem besseren Menschen (bzw. Halbgott) macht. Das Ende ist sehr schön geworden, verneigt sich wie der Film insgesamt tief vor der Mythologie Polynesiens, verbindet klassisches Abenteuer mit einer poetischen Liebeserklärung an die Natur.

Problematisch ist manchmal jedoch der Weg zu dem Finale. Nicht nur, dass es hier keine echten Überraschungen gibt, man trotz des dynamischen Untergrunds zu jeder Zeit festen dramaturgischen Bahnen folgt, die einzelnen Etappen wirken zudem oft etwas willkürlich. So spaßig es ist, wenn Vaiana und Maui fremden Wesen begegnen, die ebenso kurios wie bedrohlich sind, so wenig haben sie mit der eigentlichen Handlung zu tun. Man hätte diese Szenen weglassen oder in einer beliebigen Reihenfolge neu anordnen können, ohne dass es aufgefallen wäre. Das Gefühl eines echten Fortschritts will sich so nicht einstellen, immer wieder dreht sich der Film im Kreis – auch bei den witzigen Auseinandersetzungen der beiden so ungleichen Protagonisten. Aber auch wenn der 56. abendfüllende Animationsfilm des Mäuseunternehmens nicht ganz zu den großen internen Klassikern aufschließen kann, der Unterhaltungsfaktor ist groß, Langeweile ein Fremdwort. Vor allem aber vermittelt Vaiana wie nur wenige Kollegen das Gefühl, tatsächlich auf einer großen Reise zu sein, Teil einer Natur, die atemberaubend, gütig und unberechenbar gefährlich zugleich ist.



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Trotz gelegentlicher Selbstironie und einer nochmals unabhängigeren Heldin ist „Vaiana“ ein im Grunde sehr klassisches Disney-Abenteuer mit vielen bekannten Zutaten. Zwischendrin fehlen dem Animationsfilm ein wenig die Richtung oder auch überraschende Momente, was dieser durch eine überwältigende Optik und das erfrischende Meersetting aber mehr als ausgleicht.
7
von 10