(„Witchblade“ directed by Yoshimitsu Ohashi, 2006)
Sechs Jahre sind bereits vergangen, seitdem ein großes Erdbeben Teile von Tokio zerstört hat. Die Hintergründe des Unglücks wurden nie ganz geklärt, Masane Amaha kann sich auch kaum daran erinnern, was damals passiert ist. Aber vielleicht ist das auch besser so, denn sie hat nun alle Hände voll damit zu tun, sich um ihre Tochter Rihoko zu kümmern, die man seinerzeit in ihren Armen gefunden hat. Gefühle hat sie für das Kind, dafür aber nur wenig Talent. Und so steht dann eines Tages die Kind- und Familienfürsorge vor der Tür, um die beiden zu trennen – was Masane unter großem Einsatz zu verhindern versucht. Doch es kommt noch schlimmer: Als die 23-Jährige daraufhin im Knast landet, wird sie von einer seltsamen Maschine angegriffen und verwandelt sich daraufhin in eine Kriegerin mit enormen Kräften. Kräften, die von anderen daraufhin gern in Besitz genommen würden.
Und schon wieder einer diese Ecchi-Animes, die in der letzten Zeit so zahlreich hierzulande erscheinen, möchte man angesichts des Covers vermuten, welches eine leichtbekleidete Kampfamazone mit mächtigem Vorbau zeigt. So ganz stimmt das aber nicht, denn auch wenn halbnackte junge Damen zu einem ständigen Begleiter von Witchblade werden, eigentlich handelt die Serie von etwas anderem. Was dieses „andere“ aber genau sein soll, das wird auch nach 24 Folgen nicht klar, in denen irgendwie alles mal versucht wird – mit mal mehr, mal weniger unterhaltsamen Ergebnis.
Die Quelle dieses inhaltlichen Tohuwabohus findet sich dabei gar nicht in Fernost, sondern liegt in den USA begraben, genauer in der dort von 1995 bis 2015 veröffentlichten Comicreihe. Wer mit dieser nicht vertraut ist, braucht beim japanischen Gegenstück jedoch keine Kenntnis-Nachteile zu befürchten. Denn eigentlich haben die gedruckte und animierte Variante so gut wie nichts miteinander gemeinsam, vielmehr diente die Geschichte um die mächtige Waffe nur als grobe Inspiration für den Anime. Die Figuren sind komplett neu, die Handlung um eine komplizierte Mutter-Tochter-Beziehung ist es auch.
Letztere ist dabei noch der interessanteste Aspekt von Witchblade: Anfangs könnte die Serie auch als Slice-of-Life-Anime über die Schwierigkeiten einer alleinerziehenden Mutter durchgehen. Zwar sind die beiden Hauptfiguren wie nahezu alle anderen Charaktere auch nicht viel mehr als Stereotype, aber doch sympathisch genug, dass man ihnen bei ihrem täglichen Kampf miteinander wie auch mit einer unbarmherzigen Vermieterin gern zusieht. Einen gewissen Reiz übt die Serie aber auch dadurch aus, dass sie diese mal dramatischen, dann wieder von Humor geprägten Elemente mit einer Art Detektivgeschichte verbindet – zumal die Gegner so grotesk sind, dass man allein deshalb schon gespannt ist, was als nächstes kommt.
Auf Dauer hält diese Spannung aber nicht an. Das liegt zum einen daran, dass die Serie mit 24 Folgen einfach zu lang ist, so ab der Hälfte das Szenario einfach nicht mehr genug hergibt. Zum anderen wurde jedoch versucht, eben diesen Abnützungserscheinungen entgegenzuwirken, indem die Geschichte diverse Haken schlägt. Das ist grundsätzlich begrüßenswert, hier jedoch nur wenig überzeugend. Man hat bei dem überfrachteten Witchblade den Eindruck, dass Drehbuchautor Yasuko Kobayashi, der später auch für Attack on Titan verantwortlich war, einen komplexen Inhalt auf die Beine stellen wollte, ihm aber die passenden Ideen dafür fehlten, Wendungen und große Geheimnisse nur des Prinzips wegen eingebaut wurden. Dazu gibt es noch ein paar Klischees, viel Drama und fertig ist das Ding. Ein wirkliches Muss ist der Anime daher trotz des vielversprechenden Einstiegs nicht, eher nette, größtenteils unauffällige Dutzendware, die von Action über Comedy und Drama bis zu Science Fiction und Fantasy alles und nichts bringt. Dazu passt auch die unspektakuläre Optik, die höchstens dadurch auffällt, dass das Animationsstudio Gonzo (Speed Grapher, Full Metal Panic!) hier mal auf die hässlichen CGI-Elemente verzichtet hat und stattdessen ordentlichen Zeichentrick bietet.
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