Cat Soup
© Nekojiru • Yamato Do Co., Ltd./Nekojiru Family.

(„Nekojiru-sō“ directed by Tatsuo Satō, 2001)

Animes stehen ja ganz gerne mal in dem Ruf, ungewöhnlich, seltsam oder gar völlig gaga zu sein. Dabei ist das, was Normalsterbliche zu Gesicht bekommen, oft nur die Spitze des Eisbergs. Wer ein bisschen tiefer wühlt, der findet dabei Vertreter, die einen wahlweise am eigenen Verstand oder dem der Beteiligten zweifeln lassen. Die melancholisch-surreale Welt von Angel’s Egg ist so ein Fall, die Traumwanderei in Paprika oder der irre Trip in Tamala 2010 – A Punk Cat in Space. Mit Letzterem hat Cat Soup neben den bizarren Bildern die Wahl der Protagonisten gemeinsam: Katzen. Genauer sind es zwei Stück, die in das Land der Toten reisen, um dort die Seele einer der beiden zurückzuholen. So zumindest lautet die häufigste Erklärung für das, was hier stattfindet. Das allein zu wissen, bereitet einen aber nicht auf die Erfahrung vor, die hier auf einen lauert.

Erfunden hat die beiden Reisenden Nyāko and Nyatta die Künstlerin Nekojiru, welche im wahren Leben Chiyomi Hashiguchi hieß und sich 1998 im Alter von 31 Jahren dieses Leben endgültig nahm. Mit dem drei Jahre später produzierten Cat Soup hatte sie dann auch nichts mehr zu tun, stattdessen stammte das Drehbuch von Tatsuo Satō (Martian Successor Nadesico, Ninja Scroll – Die Serie), der hier auch Regie führte, sowie von Masaaki Yuasa. Und wer andere Werke des Letzteren kennt, etwa die psychedelische Odyssee Mind Game oder die Seele-wechsle-dich-Serie Kaiba, der ahnt bereits, dass das hier höchstens in Ausnahmefällen mit rechten Dingen vor sich geht.

Zu viel sollte man vorab dann auch nicht verraten über die geballte Ladung an Seltsamkeit, die hier in eine gute halbe Stunde gepackt wurde. Nur so viel: Von den niedlichen Kätzchen auf dem Cover sollte sich niemand in die Irre führen lassen, denn bei Cat Soup geht es richtig zur Sache. Ob ein Schwein an sich selbst verfüttert wird oder ein Vogel in Brand gesteckt, Tiere müssen hier so einiges ertragen. Von den vielen Verstümmelungen ganz zu schweigen, regelmäßig müssen hier Gliedmaßen daran glauben, weil sie entweder abgehackt oder abgebissen werden. Zwar wird der Anime nie zu einem Horrorsplatterfest, verstörend ist die Reise aber allemal.

Und natürlich offen für Interpretationen. Immer wieder gibt es Szenen, in denen man sehr viel sehen kann, darunter besagte mit den Tieren. Andere machen es einem aber schon deutlich schwerer, scheinen nie mehr als eine Aneinanderreihung von Bildern zu sein, keine durchlaufende Geschichte. Das liegt auch daran, dass es hier keinen narrativen Rahmen gibt. Gesprochen wird nur selten, Schauplätze wechseln von einem Moment zum nächsten, ohne dass man wüsste, wie, weshalb, warum. Wer Spaß daran hat, Träume zu interpretieren, in denen ebenfalls real wirkende wie auch völlig bizarre nahtlos ineinanderfließen, der wird hier eine Menge Spaß haben. Oder auch frustriert sein angesichts der fehlenden Hilfestellung und Zusammenhänge.

Man darf sich aber auch einfach zurücklehnen und von den sonderbaren Szenerien mitnehmen lassen auf eine Reise ins Unbekannte. Die ist visuell insgesamt eher schlicht gehalten, das Animationsstudio J.C.Staff (Waiting in the Summer, Selector Infected WIXOSS) verzichtet auf größere Effektspektakel und lässt stattdessen lieber die Bilder und Orte für sich sprechen. Oder eben auch nicht. Mit der üblichen Animekost hat das dann weder inhaltlich noch optisch viel gemeinsam, streckenweise meint man eher, ein verlorenes Gemeinschaftswerk von Bill Plympton (Idiots and Angels, Mutant Aliens) und Salvador Dali vor sich haben. Dass sich seinerzeit kein deutscher Verleih für diese surrealen Bilderwelten fand, wundert dann auch nicht weiter. Aber selbst als fleißiger Importler muss man erst einmal schlucken, denn die Preise der nur noch antiquarisch erhältlichen US-Fassung sind ebenso wenig von dieser Welt wie deren Inhalt.



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Ein Anime über zwei Katzen, wie niedlich! Oder auch nicht, denn „Cat Soup“ ist eine gleichermaßen surreale wie verstörende Reise in eine fremde Welt, in der es keine Erklärungen, keine Zusammenhänge, keine Übergänge gibt. Dafür aber reichlich interpretierfreudige Situationen und abgetrennte Gliedmaßen.
7
von 10