Diamond Island
© Rapid Eye Movies

(„Diamond Island“ directed by Davy Chou, 2016)

„Diamond Island“ läuft seit 19. Januar im Kino

Der 18-jährige Bora (Sobon Nuon) träumt wie so viele seiner Freunde davon, ein größeres, besseres Leben zu führen als das, welches er aus seinem kleinen kambodschanischen Dorf kennt. Und nun scheint der Traum endlich in Erfüllung zu gehen: Einen Job auf der Baustelle von der Insel Koh Pich hat er bekommen, jenem als „Diamond Island“ bezeichneten Flecken, auf dem die Immobilien der Zukunft entstehen sollen. Und doch ist es zunächst die Vergangenheit, die er dort antrifft. Ausgerechnet sein älterer Bruder Solei (Cheanick Nov), den er schon seit fünf Jahren nicht mehr gesehen hat, taucht auf. Gemeinsam erkunden sie das Nachtleben, lernen andere Jugendliche kennen und auch das andere Geschlecht.

Wie lebt es sich eigentlich als Jugendlicher in Kambodscha? Was bewegt ihn, treibt ihn an? Ziemlich genau dasselbe wie hierzulande. An vielen Stellen ist es geradezu bemerkenswert, wie wenig sich Diamond Island von vergleichbaren Jugenddramen aus dem Westen unterscheidet. Die Suche nach Liebe, Geld und Spaß, Konflikte mit anderen Jugendlichen, all das gibt dem Film eine sehr universelle Note. Für manche wird das vielleicht sogar schon zu universell sein, wer sich hier etwas sehr Landesspezifisches erhofft, etwas Exotisches gar, alte gelebte Traditionen, der ist hier fehl am Platz.

Das soll nicht bedeuten, dass der französisch-kambodschanische Regisseur und Drehbuchautor Davy Chou nichts über sein Land zu sagen hatte. Da gibt es schon einiges. Nur betrifft es eben nicht das überlieferte Kambodscha, sondern die Suche nach einem neuen. Einem, das offensichtlich stark westlichen Vorbildern nachempfunden ist. Es ist dann auch nicht der Kontrast zwischen Tradition und Moderne, der Diamond Island zugrundeliegt, sondern der zwischen den glitzernden Zukunftsträumen und dem schäbigen Alltag. Zwischen futuristischen Las-Vegas-Imitaten und dreckiger Baustelle.

Die Bilder, die Chou dafür verwendet, fangen diese Ambivalenz auch sehr schön ein. Kleine Kunstwerke sind es sogar, die er da auf die Leinwand gezaubert hat, bestimmt durch viele Kontraste: Tag und Nacht, hell und dunkel, neonfarben und betongrau. Dass er zuvor im Dokumentarfilmbereich unterwegs war und hier sein Spielfilmdebüt abgibt, das merkt man Diamond Island dann auch an – im Positiven wie im Negativen. So eindrucksvoll die Aufnahmen auch sind, so kunstvoll komponiert, so sehr scheinen sie losgelöst von den Figuren zu sein.

Die bleiben insgesamt eher im Schatten der imposanten Baupläne. Vieles hier bleibt unausgesprochen oder lediglich angedeutet. Wer zum Beispiel Soleis mysteriöser Gönner ist und in welcher Beziehung sie zueinander stehen, wird nie verraten. Auch die gemeinsamen Blicke in die Vergangenheit dienen selten dazu, wirklich Licht in das Dunkel der persönlichen Baustelle zu bringen. Es ist dann auch weniger eine individuelle Geschichte, die Chou da erzählt. Stattdessen nutzt er seine Figuren als bloßen Aufhänger für einen Blick auf seine Heimat, der stark melancholisch, wenn nicht gar nostalgisch gefärbt ist. Ein Film voller Sehnsüchte und Träumereien, dramatischer Musik, der Suche nach Anerkennung. Und voller Jugendlicher, die noch ihre Unschuld bewahrt haben, während sich am Rande bereits eine Zukunft anbahnt, die auf keinen von ihnen gewartet hat.



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Wenn in „Diamond Island“ eine Gruppe Jugendlicher ihren Träumen nachjagt, dann sagt das mehr über Kambodscha aus als über die Figuren selbst. Wirklich sehenswert ist das Film dann auch in erster Linie für die kunstvoll komponierten, kontrastreichen Bilder und die melancholische Atmosphäre.
7
von 10