(„Die vierte Gewalt“ directed by Brigitte Bertele, 2016)
Früher einmal, da war Jan Schulte (Benno Fürmann) ein angesehener Journalist, der als Auslandskorrespondent in Nairobi arbeitete. Heute ist er schon froh, wenn er irgendwie das Schulgeld für seine Tochter zusammenkratzen kann. Eine Festanstellung muss her, dessen ist er sich bewusst. Und er hat auch schon eine Idee wie, als ihm brisante Informationen zu der Gesundheitsministerin Elisabeth Stade (Victoria Trauttmansdorff) zugespielt werden. Das sollte für eine Anstellung bei der „Republik“ reichen. Aber halten die auch einer Überprüfung stand? Chefredakteur Tobias Weishaupt (Oliver Masucci) und Jans Kollegin und Freundin Britta (Jördis Triebel) drängen dazu, hier lieber auf Nummer sicher zu gehen. Während Jan deshalb Kontakt zu der Abgeordneten Katharina Pflügler (Franziska Weisz) aufnimmt, verschwinden die wertvollen Unterlagen aus dem Redaktionssafe. Doch wer könnte sie genommen haben? Und aus welchem Zweck?
Lange wurde die Presse als Korrektiv angesehen. Jemand, der dem Staat bei dessen Aufgaben auf die Finger schaute, manchmal auch draufhaute – als „vierte Gewalt“ eben. Wie viel von dieser heute noch übriggeblieben ist, darüber lässt sich angesichts des freien Falls der Printmedien streiten. Und auch darüber, ob in einer digitalen Welt, in welcher der Wert eines Beitrags in dessen Klickzahlen bemessen wird, ein derartiger investigativer Journalismus überhaupt noch eine Chance hat. Schließlich übernimmt in einer Gesellschaft, in der jeder sein Leben zum öffentlichen Thema macht, der Bürger die Rolle des Reporters. Oder denkt es zumindest.
Beide Themenbereiche – die Bedeutung einer unabhängigen Kontrollinstanz und der Umbruch im Journalismus – finden sich in dem Fernsehfilm Die vierte Gewalt wieder, der gleichzeitig den Blick zurück und in die Zukunft richten möchte. Ein Film, der gleichzeitig voller Sehnsucht nach vergangenen, besseren Tagen ist und sich eines Zynismus angesichts ständiger Existenzängste bedient. Schulte könne mit der Story alle wichtigen Preise abräumen, wird ihm an einem Punkt gesagt. Worauf er trocken erwidert, eine Festanstellung würde ihm schon reichen. Das unterscheidet den Film von früheren Journalistenthrillern, auch von dem großen Abräumer Spotlight zuletzt, der bei aller Spannung wie ein Relikt aus einer anderen Zeit wirkte. Eine Zeit, in der das Buddeln nach der Wahrheit noch kräftig bezuschusst wurde. Hier sind die Pressevertreter so sehr mit Überleben beschäftigt, dass die Story nicht mehr das Ziel, sondern der Zweck ist.
Eine reine und wirklich ernsthafte Auseinandersetzung mit der aktuellen Presselandschaft ist Die vierte Gewalt jedoch nicht, ein paar scharfzüngige Dialoge müssen ausreichen, um dem Publikum die prekäre Situation des Journalismus näherzubringen. Die meiste Zeit über ist der Thriller recht klassisch gehalten, ein bisschen altmodisch sogar. Man hätte ihn sich auch vor zwanzig Jahren vorstellen können, vor vierzig sogar. Gesetzt den Fall, dass man ihn sich überhaupt vorstellen kann, denn so richtig abnehmen will man dem Film seine Geschichte eigentlich nicht. Sicher ist es unterhaltsam, bei den diversen Wendungen dabei zu bleiben und der guten Besetzung bei der Arbeit zuzusehen – darunter Devid Striesow als geleckter Pressesprecher der Politik.
Es ist jedoch ein bisschen viel Lärm um nichts, ein bisschen umständlich konstruiert auch. Warum die Leute handeln, wie sie handeln, wird zwar gesagt. Das alleine reicht aber nicht aus, um das Ganze auch wirklich nachempfinden zu können. Nicht, dass es an emotionalem Potenzial mangeln würde: Da wäre neben der tragischen Geschichte der Ministerin auch der moralische Spagat, den gleich mehrere Personen hier hinlegen müssen. Doch noch bevor hier etwas tiefer gebohrt wird, ist der Film schon wieder vorbei, bei gerade einmal 90 Minuten Laufzeit hat die TV-Produktion nicht den Rahmen, um die interessanten Ideen auszuführen. Und so bleibt Die vierte Gewalt ein recht oberflächlich bestückter Gemischtwarenladen, der von allem ein bisschen bietet – Drama, Humor, Spannung, Gesellschaftskritik, Zynismus –, aber nicht genug, als dass man sich wirklich gesättigt davon fühlen würde.
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