Mein Blind Date mit dem Leben
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Mein Blind Date mit dem Leben

(„Mein Blind Date mit dem Leben“ directed by Marc Rothemund, 2016)

„Mein Blind Date mit dem Leben“ läuft ab dem 26. Januar 2017 im Kino

Für den jungen Saliya (Kostja Ullmann) gibt es seit Jahren eigentlich nur einen Wunsch: in einem Hotel arbeiten! Die Chancen dafür stehen nicht schlecht, ein erstes Praktikum verläuft vielversprechend. Doch dann funkt ihm das Leben dazwischen: Aufgrund einer Augenkrankheit verliert er 95 Prozent seines Sehvermögens. Sein Abi schafft er zwar noch, doch von den Hotels hagelt es reihenweise Absagen. Erst als er in seiner Bewerbung und dem Vorstellungsgespräch seine Sehbehinderung verschweigt, erhält er die ersehnte Azubistelle. Einfach ist der Alltag nicht, dank einiger wohlmeinenden Kollegen – allen voran sein bester Kumpel Max (Jacob Matschenz) – gelingt die Täuschung jedoch. Richtig schwierig wird es erst, als er sich in die alleinerziehende Mutter Laura (Anna Maria Mühe) verliebt, und auch die nichts von seiner Situation erfahren soll.

Manche Geschichten des Lebens sind dann doch zu unglaublich – und schön –, als dass man sie wirklich glauben wollte. Saliya Kahawatte zum Beispiel. Ein Quasi-Blinder, der eine Ausbildung im Hotel machte und als Barkeeper arbeitete, ohne dass man ihm seine Behinderung anmerkte? Ernsthaft? Ernsthaft. Kahawatte schaffte tatsächlich das Kunststück, ist heute auch als Berater und Autor von Kochbüchern erfolgreich. In Mein Blind Date mit dem Leben ist er davon noch weit entfernt, vielmehr wird hier erzählt, wie ein junger Mann an seinem Traum festhält, sich von nichts und niemandem aufhalten lässt und am Ende als Sieger den Platz verlässt.

Das ist natürlich in erster Linie was fürs Herz, wie es Geschichten um Verlierer, die zu Gewinnern werden nun mal so an sich haben. Die dramatischen Elemente beschränken sich jedoch vor allem auf den Anfang und das Ende, dazwischen darf ausgiebig gelacht werden. Die Verfilmung von Kahawattes Autobiografie verzichtet darauf, aus dem fehlenden Augenlicht Slapstick-Nutzen ziehen zu wollen. Hin und wieder darf mal gestolpert werden, im Mittelpunkt stehen aber andere Dinge. Die Freundschaft zwischen Saliya und Max zum Beispiel. Wenn sich der gewissenhafte Träumer und der schelmische Schwerenöter mit etwas unorthodoxen Methoden den Ausbildungsalltag erleichtern wollen, dann ist das ebenso sympathisch wie unterhaltsam.

Das liegt auch an der starken Besetzung der Komödie: Die Chemie zwischen Ullmann und Matschenz als ungleichen Freunden stimmt, man sieht ihnen gern sowohl beim Herumblödeln wie in den ernsteren Momenten zu. Mühe in der Rolle der alleinerziehenden Mutter sorgt für eine romantische Komponente. Bis zu den kleineren Nebenrollen – darunter Johann von Bülow als fieser Ausbilder Kleinschmidt, Alexander Held als Personalleiter Fried, Kida Khodr Ramadan als Flüchtling in der Hotelküche – ist Mein Blind Date mit dem Leben mit wunderbar passenden Darstellern besetzt, die einen vergessen lassen, dass die meisten Figuren nicht unbedingt viel Tiefe haben, mehr Funktion als Charakter ausfüllen.

Schade, dass diesen beiden großen Stärken – die unglaubliche Geschichte und die tolle Besetzung – nicht ganz das Vertrauen geschenkt wurde, dass sie verdient hätten. Stattdessen wurde versucht, Mein Blind Date mit dem Leben noch ein bisschen gefälliger zu machen. Beispielsweise folgt auch dieser Film der deutschen Unart, ständig Szenen mit Musik zu hinterlegen. Die ist zwar etwas abwechslungsreicher als sonst, zu dem üblichen Powerpop kommen noch andere Genres hinzu. Ärgerlich ist diese Angst vor Übergängen aber schon. Und auch inhaltlich hätte man sich gegen Ende hin nicht ganz so sklavisch an Konventionen halten müssen, manche Übertreibung macht den Film kleiner und gewöhnlicher, als er es eigentlich ist. Dennoch gehört die mit dramatischen Elementen versetzte Komödie zu den sehenswerteren deutschen Beispielen der letzten Zeit, allein schon der interessanten Optikspielereien wegen, wenn wir die Welt durch Saliyas Augen sehen. Oder eben auch nicht sehen. Und wieder davon träumen dürfen, dass man im Leben alles schaffen kann, wenn man nur den Willen und die richtigen Freunde dazu hat.



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Ein Fast-Blinder bedient in einem Hotel. Was sich nach einem Witz anhört, basiert auf wahren Begebenheiten, und gehört neben der tollen Besetzung zu den Stärken von „Mein Blind Date mit dem Leben“. Leider wird es zum Ende hin recht konventionell, die sehr sympathische Komödie wird da gewöhnlicher, als sie es verdient hat.
7
von 10