My Dog Tulip

(„My Dog Tulip“ directed by Paul Fierlinger, Sandra Fierlinger, 2009)

Die letzten beiden Beiträge unseres fortlaufenden Animationsspecials – das Gemäldeabenteuer The Painting und die kuriose Schwertsuche Katanagatari – nahmen uns beide mit auf fantastische Reisen. Der 141. Teil ist da im Vergleich deutlich bescheidener, räumlich wie inhaltlich, erzählt mit einer Beiläufigkeit aus dem Leben, die vielen von der Seele sprechen wird.

Eine Inhaltsangabe zu My Dog Tulip zu verfassen, würde dem Ganzen nicht gerecht werden. Denn es ist keine große Geschichte, die der Film da erzählt. Ein älterer Herr, der weder eine Beziehung fand, noch großartige Freundschaften pflegt, entschließt sich eines Tages, einen Hund aufzunehmen, der in seinem bisherigen Zuhause misshandelt wurde. Es ist der Beginn einer Freundschaft, einer komplizierten Freundschaft. Denn irgendwie scheint keiner der beiden, den anderen wirklich zu verstehen. Immer wieder kommt es dabei zu Missverständnissen oder Konflikten, beispielsweise als die Schwester des Engländers bei ihm einzieht, was Tulip gar nicht gern sieht – und mit einem ständigen Knurren und Bellen bestraft.

Grundlage der Geschichte bildet der gleichnamige autobiografische Roman von J. R. Ackerley, in dem der englische Schriftsteller 1956 seine 15 Jahre haltende Freundschaft zu seiner Deutschen Schäferhündin literarisch verarbeitete. Filme mit Tieren neigen ja oft dazu, entweder sehr süßlich, auf eine junge Zielgruppe ausgerichtet oder Teil eines Abenteuers zu sein. Manchmal auch alles drei auf einmal. My Dog Tulip ist nichts davon. Kinder werden vergeblich darauf warten, dass die quirlige Tulip eine kleine Slapstickeinlage vorführt, ohne die heutige Animationsfilme kaum mehr auskommen. Und auch die diversen großen und kleinen Geschäfte, die Tulip erledigt – der Film nimmt da keinen Blatt vor den Mund – sind nicht dazu gedacht, wie bei anderen derbhumorigen Komödien das Publikum zum Lachen zu bringen.

Das soll nicht bedeuten, dass man mit der Romanadaption keinen Spaß haben kann. Beispielsweise wechselt die an und für sich sehr realistische Geschichte häufiger in eine Art Fantasiewelt, in der die Hunde vermenschlicht dargestellt werden. In einer der schönsten Sequenzen wird die läufige Tulip so zu einem Star, die vor dem Haus von einer Masse männlicher Paparazzi begrüßt wird. Und begehrt natürlich auch. Der Moment verkörpert nicht nur den leisen Humor, welcher den Film auszeichnet, sondern auch die etwas eigenwillige Umsetzung. Normalerweise stehen Bilder und Ton bei Filmen im Einklang, wir hören die Protagonisten sprechen und sehen sie dabei. Bei My Dog Tulip ist es eher so, als würden Zeichnungen die Erzählungen illustrieren. Man könnte den von Christopher Plummer vorgetragenen Monologen auch losgelöst von dem Gezeigten lauschen, in Form eines Hörbuches, ohne Verständnisprobleme zu ahben. Und doch würde dabei eine ganze Menge verlorengehen.

Das Ehepaar Paul und Sandra Fierlinger, welches hier Regie führt und sich auch der Optik annahm, verwendet bei den Zeichnungen einen Stil, den man aus Zeitungskarikaturen kennt. Alles ist hier – bewusst – etwas grober und schemenhafter gehalten, die Umrisse der Figuren, die Einrichtung. Details sind Mangelware, auch Farben sind sparsam eingesetzt. Was bei einem Animationsfilm sonst oft ein Manko wäre, ist hier aber tatsächlich eine Stärke: My Dog Tulip sieht so aus, als hätte man eine alte, vergilbte Zeitschrift vor sich liegen, die man durchblättert. Und diese wider Erwarten völlig am Computer entstandenen Skizzen passen wunderbar zu dem Inhalt, so unaufgeregt, so altmodisch, so britisch.

„Unable to love each other, the English turn to dogs“ zitiert der Film Ackerley zum Einstieg. Und eine Liebesgeschichte ist es auch, die im Mittelpunkt steht. Eine Liebesgeschichte, die ohne große Dramen auskommt, die sich – weil sie eben keine Worte benutzen kann – manchmal eben auch dadurch ausdrückt, dass man sich vor einer Tür erleichtert. Die feinen Beobachtungen des Alltags, die realistische Darstellung eines tierischen Lebens machen My Dog Tulip natürlich in erster Linie zu einem Fest für Hundebesitzer, die selbst einen treuen Begleiter haben, mit dem man durch dick und dünn geht. Zum Tierarzt geht. Konflikte austrägt. Manchmal einfach nur die Gemeinschaftlichkeit genießt, ohne große Worte. Aber selbst wer keine vier Pfoten daheim hat, dies auch gar nicht möchte, wird bei diesem so menschlichen wie erwachsenen Film viele rührende und komische Szenen entdecken. Gesetzt den Fall, er scheut den Import nicht: Auf Deutsch ist das Animationswerk nicht erhältlich, der UK-Import ist dafür aber spottbillig.



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Von wegen auf den Hund gekommen: Die Romanadaption „My Dog Tulip“ erzählt auf eine wunderbar beiläufige sowie authentische Weise und mit dazu passenden Skizzenzeichnungen die Geschichte eines Mannes und seines Hundes. Auch wenn nicht viel passiert, ist der Animationsfilm ein Geheimtipp für die Anhänger menschlicher Alltagsbeobachtungen.
8
von 10