(„Onigamiden“ directed by Hirotsugu Kawasaki, 2011)
Mit sonderlich viel Mut ist Jun Tendo ja nicht gesegnet. Und auch Entschlussfreudigkeit würde man eher nicht zu den Stärken des Jungen zählen. Entsprechend aufgeschmissen ist er dann auch, als er aus heiterem Himmel von einem Monster angegriffen wird und ein Priester ihn 1200 Jahre zurück in die Vergangenheit schickt. Dort erfährt er, dass diese Monster „Oni“ genannt werden und den gesamten Landstrich terrorisieren. Und ausgerechnet Jun soll dem Ganzen ein Ende bereiten, da er als Nachkomme einer mächtigen Familie der Auserwählte sein soll, der den mystischen Drachen Orochi wiederbelebt. Aber das ist alles gar nicht so einfach, wenn man ein schüchterner Schüler aus der Neuzeit ist. Und dann muss er noch erfahren, dass diese Oni nicht ganz das sind, wonach sie scheinen.
Dass in Japan das Tor zwischen unserer heutigen realen Welt und magischen Reichen nicht sonderlich gut versteckt ist, das haben uns zahlreiche Animes bewiesen. Vor allem die Filme von Studio Ghibli lebten davon, dass meist junge Protagonisten zufällig auf Fabelwesen trafen oder in parallele Welten stolperten. Zuschauer dürften sich bei Onigamiden deshalb wie zu Hause fühlen, umso mehr da besagter Drache dem aus Chihiros Reise ins Zauberland doch recht ähnlich sieht. Mit Letzterem teilt der Film auch seine Wurzeln in der japanischen Mythologie: Ob nun Orochi, die Onis oder später die Himmelsgötter, Liebhaber der fernöstlichen Sagen und Legenden können sich auf ein Wiedersehen mit vielen bekannten Figuren freuen.
Zu bekannt sogar. Tatsächlich ist eines der großen Mankos von Onigamiden, dass es so gut wie nichts Eigenständiges mitbringt. Die Adaption von Takafumi Takadas Roman begnügt sich nicht nur beim Szenario, sondern auch bei der Handlung mit dem Altbekannten. Im späteren Verlauf gibt es zwar eine tatsächlich unerwartete Wendung, einen großen Gefallen tat man sich mit ihr aber nicht. Zwar ist es schön, wenn das Schwarz-Weiß-Denken aufgebrochen werden soll, ähnlich zu Prinzessin Mononoke der Kampf zwischen zwei Parteien moralisch nicht mehr ganz so eindeutig ist, wie zunächst gedacht. Wenn das aber bedeutet, dass eigentlich nur die Vorzeichen umgedreht werden, dann hält sich der Zugewinn ziemlich in Grenzen.
Insgesamt ist der Inhalt sehr enttäuschend. Viele einzelne Fäden werden später vergessen, Elemente zu spät eingeführt, Handlungsmuster kaum erklärt, die Figuren bleiben bis zum Schluss nichtssagende Fremde. Selbst die Konfrontation eines modernen Menschen mit einer weit zurückliegenden Vergangenheit hat kaum Folgen, von kleineren Handyfotos mal abgesehen. Dass ein kleiner Junge über sich hinauswächst, seinen Mut entdeckt und die Welt rettet, das mag man für eine jüngere Zielgruppe als Projektionsfläche noch akzeptieren. Nur beißt sich das dann wieder mit den teils doch recht düsteren Bildern, die dem Horrorgenre schon recht nahe kommen.
Die Gestaltung der Onis ist dann auch der eindeutige Höhepunkt von Onigamiden: magische Wesen, die aus sich bewegenden Schatten zu bestehen scheinen. Auch Orochis Ausflügen schaut man gern zu, selbst wenn er nicht ganz so dämonisch ist, wie man es sonst aus japanischen Geschichten gewohnt ist. Wenig Gutes gibt es hingegen über die menschlichen Figuren zu sagen, denen es nicht nur an Persönlichkeit, sondern auch an interessanten Designs mangelt. Der Kontrast zwischen ihnen und den Monstern ist sogar so stark, dass man kaum glauben kann, dass sie demselben Werk entstammen sollen. Dennoch ist die Optik von Studio Pierrot (The Last: Naruto – The Movie, Tokyo Ghoul) noch am ehesten dazu geeignet, dem Anime eine Empfehlung auszusprechen. Denn auch die Hintergründe aus dem alten Japan sind schon sehr schön anzusehen. Mehr als erträglich machen sie den Rest aber nicht, der Anime ist über weite Strecken ziemlich langweilig und fantasielos, schafft es zudem nicht, auch mal in Schwung zu kommen. Alles plätschert nett vor sich hin, bis es irgendwann vorbei ist.
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