(„Sanzoku no Musume Rōnya“ directed by Gorō Miyazaki, 2014)
Man hat es als Räuber schon echt nicht leicht. Nicht nur, dass Anführer Mattis mit seinen nicht ganz legalen Beutefängen den Ärger des Landvogts provoziert, die verdammte Bande der Borkas meint zudem, ebenfalls in den Wäldern ihr Unwesen treiben zu dürfen. Einen Lichtblick im Leben des Räuberhauptmanns und seiner Frau Lovis gibt es jedoch: Töchterchen Ronja! Schon direkt nach der Geburt sind sie alle von dem kleinen Mädchen bezaubert, das auf Jahre hinweg das Geschehen auf der Mattisburg entscheidend mitprägen wird. Das liegt neben ihrer lebhaften, neugierigen Art aber auch an ihrem Dickkopf, der dem ihres Vaters in nichts nachsteht und für ziemlich viel Chaos sorgt.
Viele dürften mindestens skeptisch gewesen sein, als angekündigt wurde, das legendäre Studio Ghibli würde seine erste TV-Serie produzieren. Zum einen würde Gorô Miyazaki Regie führen, dessen Debüt Die Chroniken von Erdsee oft als Tiefpunkt der Ghibli-Historie angesehen wird. Schlimmer aber noch: Ausgerechnet die Meister der Zeichentrickkunst, denen wir von Das Schloss im Himmel über Chihiros Reise ins Zauberland bis hin zu Die Legende der Prinzessin Kaguya viele visuelle Wunderwerke zu verdanken haben, würde sich dem schlimmen Feind der Computergrafik unterwerfen. Ein Sakrileg, mindestens!
So ganz stimmte das dann aber doch nicht. Während die Animelegenden an der Produktion beteiligt waren und Miyazaki (Der Mohnblumenberg) Regie führte, waren für die konkrete Umsetzung jedoch die Kollegen von Polygon Pictures (Ajin) zuständig – und die haben sich ausschließlich auf die am Rechner erstellte Animationstechnik spezialisiert. Ausnahmsweise sieht die Kombination von Anime und CGI hier dann auch recht gut aus, da die ausdrucksstarken Figuren sich allesamt dem Zeichentricklook annähern. Gewöhnungsbedürftig ist das zwar schon, gerade auch wenn die Charaktere sich vor verschwenderisch-malerischen, aber eben doch starren 2D-Hintergründen tummeln. Insgesamt ist es aber charmant und detailverliebt, was die Japaner hier auf die Bildschirme zaubern. Und besser animiert als vieles, was die traditionelle Konkurrenz so macht.
Dass man dem Anime seine Fremdgänge verzeiht, liegt aber auch an den sorgfältig herausgearbeiteten und sympathischen Figuren. Wie auch bei Astrids Lindgrens gleichnamiger Romanvorlage dreht sich hier alles um einen Haufen Räuber, die sich durch ihr maskulines Geprotze oft selbst zu Witzfiguren degradieren. Zumal sie ihrem harten Selbstbild zum Trotz auch ganz anders können: Gerade die Reaktionen der gestandenen Männer, sobald sie das süße Kind sehen und dafür alles stehen und liegen lassen, sind doch sehr unterhaltsam. Auch später kommt es immer wieder zu komischen Szenen, besonders was den ewigen Konkurrenzkampf zwischen Mattis und Borka betrifft, der raue Ton innerhalb der Räuberbanden Erinnerungen an Asterix weckt.
Aber es sind nicht nur die humorvollen Elemente, welche die Serie auszeichnen. Wenn Ronja beispielsweise das erste Mal die schützende Burg verlässt und dabei diversen unheimlichen Gestalten begegnet, die auch aus einem „echten“ Werk von Studio Ghibli hätten stammen können, wenn nicht gar dem Horrorgenre, wird es überaus spannend. Später kommen noch diverse dramatische Szenen hinzu, sowie ein bisschen Romantik. Denn zeitgleich zur Räubertochter gab es auch bei den Borkas Nachwuchs: Birk. Und auch wenn sich die beiden Sprösslinge der wenig ehrwürdigen Banden eigentlich verabscheuen sollten, irgendwie mögen sie sich dann doch.
Meistens ist ein solcher Genre-Mischmasch eher unbefriedigend, bei Ronja Räubertochter funktioniert die Kombination aber sehr gut: Die Adaption des Kinderbuchklassikers ist nicht nur kurzweilig und abwechslungsreich, Coming-of-Age-Elemente verbinden sich mit Humor, Fantasy und Abenteuer sogar zu einem der sehenswertesten Animes der letzten Zeit. Zum Ende der 26 Folgen hin baut das Vergnügen zwar ein wenig ab, wenn einige Aspekte ein bisschen sehr schnell abgehandelt werden, man weniger eine Geschichte, als vielmehr die Zusammenfassung einer solchen sieht. Insgesamt ist die Serie der glorreichen Filmgeschichte von Studio Ghibli aber würdig und nicht nur des großen Namens wegen einen Blick wert.
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