Suburra
© Koch Media

(„Suburra“ directed by Stefano Sollima, 2015)

„Suburra“ läuft ab 26. Januar 2017 im Kino

Mit dem hochrangigen Politiker Filippo Malgradi (Pierfranesco Favino) beginnt das Debakel, denn seine kleine Privatorgie endet mit dem Drogentod einer minderjährigen Prostituierten. Die Leiche muss weg, klar. Aber wie? Als deren Kollegin Sabrina (Giulia Gorietti) einen Gangster zur Hilfe ruft, erledigt der seine Arbeit auch pflichtbewusst, will dafür aber entsprechend belohnt werden – dauerhaft. Der Erpressungsversuch endet tödlich, was wiederum einen Privatkrieg zwischen den Zigeunerboss Anacleti (Adamo Dionisi) und dem jähzornigen Mafiosi Aureliano (Alessandro Borghi) lostritt. Nun liegt es an der grauen Eminenz „Der Samurai“ (Claudio Amendola), der im Hintergrund die Strippen zieht und dabei ist, ein wichtiges Bauvorhaben abzuschließen, Ruhe in die Geschichte zu bekommen.

Ihr selbst dürfte es vermutlich ganz gelegen kommen, nicht mehr im Mittelpunkt des filmischen Interesses zu stehen. Als Zuschauer ist es aber schon ein wenig schade, wie selten noch die Mafia eine Rolle auf Leinwand und Bildschirm spielt. Wo sie früher einen Gegenspieler par excellence darstellte, an denen sich aufrechte Polizisten blutige Nasen und sonstige Körperteile holten, wurden sie inzwischen von korrupten Politikern, rücksichtslosen Unternehmern und Terroristen in den Schatten gedrängt. Zumindest Stefano Sollima ist aber noch sehr daran interessiert, das Scheinwerferlicht dorthin zu lenken. Nach seiner gefeierten Serie Gomorrha nimmt sich der italienische Regisseur nun bei Suburra des gleichnamigen Buches von Carlo Bonini und Giancarlo De Cataldo an, drückte dem Tatsachenroman aber seinen eigenen Stempel auf. Einen sehr sehr hässlichen Stempel.

Frei nach dem Motto „wer braucht schon Helden?“ weiß man in diesem dreckigen Sumpf aus Gewalt, Korruption, Prostitution und Drogen nie so wirklich, wem man da eigentlich die Daumen drücken soll. Ein brutaler Zigeuner, der sich in seiner Sucht nach Anerkennung wie ein König aufführt, das will man nicht wirklich unterstützen. Einen brutalen Mörder als Gegenspieler aber ebenso wenig. Von korrupten Politikern ganz zu schweigen. Am ehesten taugt noch die Prostituierte Sabrina als Positivbeispiel. Nicht, weil sie Positives tut. Es fehlt ihr nur an offensichtlich negativen Eigenschaften, was in der Welt von Sollima durchaus ein Alleinstellungsmerkmal ist.

Suburra macht einem aber nicht nur durch den mangelnden Sympathiegrad der Figuren zu schaffen, sondern auch durch deren Anzahl. Es ist sogar eine kleine Herausforderung, bei den vielen herumwuselnden und umherschießenden Personen noch den Überblick zu behalten. Sich daran zu erinnern, wer mit wem verbündet, wer mit wem verfeindet ist, wieso jetzt schon wieder jemand daran glauben musste. Aber darum geht es eben auch bei diesem Thriller: eine Welt aufzuzeigen, in der alles miteinander verflochten ist: Politik, Verbrecher, selbst die Kirche spielt bei den dreckigen Geschäften irgendwo mit. Hilfst du mir, dann helf ich dir. Stehst du mir im Weg, murks ich dich ab.

Entsprechend hoffnungslos ist der Ton dann auch; dieses Netz aus Abhängigkeiten und Gefälligkeiten, die einigen wenigen den größtmöglichen Profit bringen sollen, noch einmal zu durchtrennen, erscheint utopisch. Ausnahmsweise weiß man hier dann auch nicht, wer das Massaker am Ende überlebt. Überleben soll. Zumal es hier an einer ernstzunehmenden Opposition mangelt, die Polizei ist auffallend unauffällig. Wenn sind es Einzelaktionen von Personen, die noch als das kleinere Übel durchgehen, die einem das letzte bisschen Lebensmut lassen. Dass diese manchmal ein bisschen überzogen sind – Aktionen wie Personen –, einiges hier nicht wirklich glaubwürdig ist, tut dem Schrecken keinen Abbruch, denn auch die zugespitzte Version lässt einen erahnen, was sich da auf den Straßen und in den Villen Roms so tut. Und das ist trotz der teils wahnsinnig schönen Bildern ein sehr unangenehmer Anblick: Suburra ist kompromissloses Kino, das man gleichzeitig sehen und nicht sehen will.



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„Suburra“ führt uns auf ebenso schreckliche wie schöne Weise vor Augen, wie in Italien Verbrechen, Polizei und Politik miteinander verflochten sind. Das ist auch aufgrund der vielen unsympathischen Figuren nur schwer verdaulich, dafür aber auch sehr spannend, ein ebenso dreckiges wie hartes Kino.
8
von 10