Certain Women
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Certain Women

„Certain Women“ // Deutschland-Start: 2. März 2017 (Kino)

Inhalt / Kritik

Man würde Kelly Reichardt sicher nicht unrecht tun mit der Behauptung, dass sie sich in ihren Filmen mehr für ihre Figuren als für die Geschichte interessiert. Selbst wenn sie doch mal eine größere zu erzählen hat wie in dem überraschend handlungsorientierten Night Moves, geht es ihr eher darum, was diese Handlung aus den Menschen macht. Nicht um die Handlung an sich. In Certain Women, der dritte Langfilm der Regisseurin und Drehbuchautorin, verzichtet sie dann auch wieder darauf, das Publikum mit großen Momenten fesseln zu wollen. Sie widmet sich den kleinen, so klein, dass sie auf den ersten Blick oft an der Grenze zum Banalen sind. Aber eben nur auf den ersten Blick.

Adaption von Kurzgeschichten

Erfunden hat diese aber nicht Reichardt selbst, vielmehr basiert der Episodenfilm auf der Kurzgeschichtensammlung „Both Ways Is the Only Way I Want It: Stories“ von Maile Meloy. Die erste der drei Geschichten erzählt von der Anwältin Laura (Laura Dern), die vergeblich ihren Klienten Fuller (Jared Harris) davon zu überzeugen versucht, dass er bei seinem Fall keine Aussicht auf Schadensersatz hat. Weiter geht es mit dem Ehepaar Ryan (James Le Gros) und Gina (Michelle Williams), das gemeinsam in der Natur ein Haus bauen will. Zum Schluss steht Jamie (Lily Gladstone) im Mittelpunkt, die versehentlich in einem Abendseminar über Schulrecht landet und sich in die Aushilfsdozentin Beth (Kristen Stewart) verliebt.

Offen ausgesprochen werden diese romantischen Gefühle nicht. Genauer merkt Beth nicht einmal, dass in Jamie mehr vor sich geht, wenn diese immer wieder in den Unterricht kommt, obwohl sie zum Thema keinen Bezug hat. Obwohl sie nicht einmal eingeschrieben ist. Aber eben damit wird klar, dass es ihr um etwas anderes geht – zumindest für Außenstehende. So wie Certain Women oft zeigt, wie wortlose Kommunikation funktioniert. Und wie sie es nicht tut. Wenn Gina für ihr Haus einen alten Sandstein zu kaufen versucht und das Gespräch mit dem Eigentümer immer wieder von ihrem Mann torpediert wird, dann reicht ihr Blick, um das Innenleben nach außen zu kehren. Reichardt versteht es hier und an anderen Stellen meisterhaft, nur mit kleinen Gesten oder Mimik das Wortlose sprechen zu lassen.

Alltag ohne viel Handlung

Das ist eindringlich gespielt, erfordert natürlich aber auch ein wenig Geduld. Sehr viel passiert hier nicht, die drei Episoden finden auch trotz kleiner Verbindungen nie wirklich zusammen. Der Aha-Effekt bleibt aus. Was sie eint, ist ihre Alltäglichkeit, Certain Women ist ein Film über das Leben. Und über das Scheitern. Ob es Laura und Fuller sind, die ständig aneinander vorbeireden, Letzterer nicht einsehen kann, dass er einen vergeblichen Kampf austrägt. Ob es Ryan und Gina sind, deren Ehe offensichtlich nicht funktioniert, beide sich dem aber nicht stellen wollen. Oder eben Jamie und Beth, die Geschichte einer Romanze, die keine ist.

Und so ist Certain Women ein an und für sich sehr tragischer Film, der aber um die Tragik nicht viel Aufhebens macht. Ein trauriger Film, ein traurig stimmender Film, ohne – so scheint es – viel dafür zu tun. Oder daraus. Abgesehen von dem Ausbruch Fullers behält hier jeder sein Leid für sich, dreht nach einer stundenlangen Autofahrt einfach um, anstatt zu kämpfen oder sich zumindest selbst zu behaupten. Die Freunde großer Dramen werden daran weniger Gefallen finden, dafür ist das Episodenwerk einfach zu zurückgenommen. Zu bescheiden. Wer leise Geschichten schätzt, die dem Leben entnommen sind, der sollte den Kinostart jedoch nicht verpassen, denn die Buchadaption führt uns gelungen vor Augen, wie viel im täglichen Umgang miteinander schiefgehen kann, ohne dass wir es wollen oder bemerken.

Credits

OT: „Certain Women“
Land: USA
Jahr: 2016
Regie: Kelly Reichardt
Drehbuch: Kelly Reichardt
Vorlage: Maile Meloy
Musik: Jeff Grace
Kamera: Christopher Blauvelt
Besetzung: Laura Dern, James Le Gros, Jared Harris, Michelle Williams, Kristen Stewart, Lily Gladstone

Bilder

Trailer

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Certain Women
fazit
„Certain Women“ präsentiert drei Geschichten, die voneinander unabhängig sind, aber geeint werden von Sprachlosigkeit, dem täglichen Scheitern und missglückter Kommunikation. Das bedeutet wenig Handlung, dafür aber meisterhaft wortlos ausgedrückte Gefühle, für die es keinen Platz zu geben scheint.
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