(„Comet Lucifer“ directed by Yasuhito Kikuchi and Atsushi Nakayama, 2015)
Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Zumindest wäre Sōgo Amag wohl nie in der unterirdischen Ruine gelandet, wäre er nicht in die Auseinandersetzungen seiner Klassenkameraden geraten. Und eben dort trifft er auf Felia, ein junges Mädchen mit weißblauen Haaren und riesigen Kräften, von denen keiner so recht sagen kann, wo sie herkommen. Auch Felia nicht, denn die kann anfangs nicht sprechen und hat auch sonst keine Ahnung, was das Leben auf dem Planeten Gift bedeutet. Dafür aber diverse Verfolger, welche die besonderen Fähigkeiten der jungen Unbekannten für sich selbst nutzen wollen.
Manchmal hat man bei Animes ja den Eindruck, deren Konzeption wäre mithilfe eines Bingospiels erstellt worden: In jedem Kasten steht ein Klischee der japanischen Erzählkunst, was gezogen wird, das findet am Ende zusammen. Auch wenn es gar nicht zusammenpasst. Und so dürfen wir uns dann auch bei Comet Lucifer über ein Wiedersehen mit Elementen freuen, die schon so oft verwendet wurden, dass man sich gar nicht mehr erinnern kann, wo man diese zum ersten Mal gesehen hat. Da wäre beispielsweise das mysteriöse Mädchen aus einer fremden Welt, welches der jugendliche Protagonist gleich zu Beginn trifft. Da wären die riesigen Roboter, die schon seit Jahrzehnten fester Bestandteil der japanischen Popkultur sind. Ach ja, Engel tauchen später auch noch auf. Warum auch immer.
Und das ist dann auch das erste große Problem bei Comet Lucifer: Man versuchte hier etwas krampfhaft, möglichst viele bewährte Bestandteile zu verbinden, um ein Zielpublikum zu finden, ohne aber eine echte Idee zu haben, wie diese Verbindung aussehen könnte. Immer wieder werden neue Elemente aus heiterem Himmel eingeführt, die nicht wirklich erklärt werden, manchmal auch sofort wieder fallengelassen. Die Figuren verhalten sich nicht immer so, dass man genau wüsste, was sie da eigentlich zu tun gedenken. Man weiß am Ende nicht einmal so genau, wer die ganzen Gegenspieler eigentlich hätten sein sollen, dafür werden sie zu lieblos abgehandelt. Und wenn gar nichts mehr hilft, lassen wir eben die kleine Steinschlange, die ansonsten reines Comic Relief ist, zu einem Mecha werden. Einfach so. Oder bauen noch Pathos ein. Oder ein bisschen Fanservice später, wenn das kleine Mädchen urplötzlich zum gut gebauten Love Interest wird.
Nun kann Willkürlichkeit auch eine Menge Spaß machen, Serien wie Samurai Flamenco oder FLCL leben davon, dass man nie genau weiß, was als nächstes passieren wird. Comet Lucifer fehlt aber auch hierfür das Konzept, das erzählerische Chaos ist Faulheit geschuldet, nicht dem Wunsch, Erwartungen der Zuschauer zu unterlaufen. Vielmehr wollte man so viele auf einmal erfüllen, dass der Serie jegliche Individualität flöten geht. Nur manchmal bekommt man hier doch mal etwas zu sehen, das ungewöhnlich ist – tanzendes Gemüse? Waffen in Brot? –, ansonsten ist statt Wahnsinn in erster Linie Langeweile angesagt, trotz zahlreicher Actionszenen und einer Vielzahl von Figuren mit teils obligatorisch tragischen Vorgeschichten gelingt es hier einfach nicht, eine Spannungskurve aufzubauen.
Immerhin sieht Comet Lucifer dabei recht ordentlich aus. Das noch recht junge Animationsstudio 8-Bit macht abgesehen von den wie so oft überbelichteten Städten an keiner Stelle wirklich etwas verkehrt, baut hier und da sogar noch kleine Extras wie Flimmereffekte oder Wasserspiegelungen ein. Und zumindest einer der Riesenroboter ist recht witzig gestaltet. Aber das reicht nicht, um die felsenfeste Me-Too-Atmosphäre ernsthaft ins Wanken zu bringen. Die 12-teilige Serie mag das erste Originalwerk der Japaner sein, nach einem Dutzend Adaptionen und Fortsetzungen. Ein Original ist es aber nicht, trotz der eigentlich netten, leicht Steampunk angehauchten Welt.
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