Die vielen Abenteuer von Winnie Puuh
© Disney

Die vielen Abenteuer von Winnie Puuh

(„The Many Adventures of Winnie the Pooh“ directed by John Lounsbery and Wolfgang Reitherman, 1977)

Die Andenkenläden in Disneyland quillen über vor Merchandising-Produkten, sage und schreibe acht Filme produzierten die DisneyToon Studios zwischen 1997 und 2005 rund um Winnie Puuh und seine Freunde, laut einem Artikel der New York Times von 2014 macht der Mäusekonzern jedes Jahr einen Umsatz von über 5 Milliarden Dollar mit dieser Marke. Man mag es daher kaum glauben, dass es mal eine Zeit gegeben haben soll, in der der ständig honigschlürfende Teddybär nicht zu Disney gehörte. Dass es eine Zeit gab, in der in den USA niemand die Figur kannte. Oder zumindest nicht genug. Walt Disney selbst war es, der unbedingt einen Film mit Winnie Puuh in die Kinos bringen wollte, jedoch die Ansicht vertrat, dass das amerikanische Publikum mithilfe von Kurzfilmen die Charaktere des englischen Kinderbuchautors Alan Alexander Milne erst einmal kennenlernen sollte.

An zweien war Disney noch beteiligt – Winnie Puuh und der Honigbaum von 1966, Winnie Puuh und das Hundewetter von 1968. Ein dritter, Winnie Puuh und Tigger dazu, folgte 1974. 1977 wurden diese drei Kurzfilme um eine kurze Abschlusssequenz erweitert zu einem Film zusammengefasst, der in den USA sogar tatsächlich in den Kinos lief und der insgesamt 22. abendfüllende Animationsfilm von Disney wurde – auch wenn er in Deutschland eigenartigerweise nicht unter dem Meisterwerke-Label geführt wird. Und das ist doch recht verwunderlich, da Die vielen Abenteuer von Winnie Puuh ein klassischer Disney ist, bei dem auch Wolfgang Reitherman Regie führte. Und dem gebürtigen Münchner haben wir immerhin so große Klassiker wie Dornröschen, Das Dschungelbuch und Bernard & Bianca – Die Mäusepolizei zu verdanken.

Puristen beklagten sogar, dass die ab 1924 erschienenen Kinderbücher zu sehr disneyfiziert wurden, beispielsweise durch die Einführung der Figur Gopher. Insgesamt aber gelang es den Zeichentrickkünstlern wunderbar den besonderen Charme der Vorlage einzufangen. Milne hatte seinerzeit die Geschichten geschrieben, indem er sich von seinem Sohn Christopher Robin und dessen Plüschtiere inspirieren ließ. Und diese Spielzeugherkunft ist in Die vielen Abenteuer von Winnie Puuh an mehreren Stellen zu sehen, von der kurzen Realsequenz am Anfang über eine Szene, in der Puuh seine Füllung verliert, bis zu dem bittersüßen Ende, wenn Christopher Robin älter wird und seine alten Freunde und die gemeinsame Spielwelt verlässt.

Dazwischen liegen die drei besagten Geschichten, die anders als der Titel behauptet zwar nicht unbedingt als Abenteuer durchgehen, dafür aber vollgestopft sind mit warmherziger Unschuld. Ein Reich der Kinder, in dem alles passieren kann. Manchmal auch alles passiert. Im ersten Teil versucht Winnie Puuh ständig Honig zu bekommen, der zweite handelt von einem schrecklichen Unwetter, dem schwungvollen neuen Freund Tigger und einer Traumsequenz, die zu den surrealsten in der Disney-Historie gehört, Teil drei berichtet von dem Versuch, den ständig Chaos verursachenden Tigger wieder loszuwerden.

Das ist naturgemäß immer mal wieder mit einer kleinen Moral verknüpft, der Betonung von Freundschaft beispielsweise, der Akzeptanz von Macken anderer. All das gibt Die vielen Abenteuer von Winnie Puuh etwas sehr Zeitloses. Ein Film, der vor 40 Jahren entstand, heute aber nicht weniger gut funktioniert. Die sehr simplen Geschichten haben Erwachsenen eher weniger zu bieten, von nostalgischen Gefühlen und der Sehnsucht nach einer Kinderwelt, wie es sie heute noch viel zu selten gibt, einmal abgesehen. Die sehr schöne Optik, die mit Pastellfarben und dicken Strichen an ein tatsächliches Kinderbuch erinnert, ist aber ungestört zauberhaft. Apropos Kinderbuch: Immer wieder durchbricht der Film die vierte Wand oder übt sich in Metakommentaren, lässt zum Beispiel Figuren auf Buchstaben laufen oder den Erzähler mit Puuh diskutieren. Es sind diese kleinen Details, zusammen mit den etwas kuriosen Charakteren, die den ersten großen Animationsauftritt des späteren Schwergewichts trotz des oft banal-simplen Inhalts zu etwas Besonderem machen.



(Anzeige)

Die drei Kurzfilme, die hier zusammengefasst wurden, sind inhaltlich sehr simpel, nehmen einen aber mit in eine zauberhafte, unschuldige Welt der Kinder. Zudem ist die Optik sehr schön, auch die diversen Metaelemente tragen zu dem besonderen Charme des Zeichentrickfilms bei.
7
von 10