(„The Light Between Oceans“ directed by Derek Cianfrance, 2016)
Es war Liebe auf den ersten Blick, als sich der Ex-Soldat Tom Sherbourne (Michael Fassbender) und Isabel Graysmark (Alicia Vikander) begegnen. Beide sind sie von ihren Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg gezeichnet, Tom nahm sogar eine Stelle als Leuchtturmwärter auf einer Insel an, um seiner Vergangenheit zu entkommen. Doch durch Isabel soll alles anders werden: Die beiden heiraten und fangen ein neues Leben an, weit ab vom Trubel. Nur eines fehlt ihnen zum Glück, ein Kind. Zwei Fehlgeburten hat Isabel bereits hinter sich, als eines Tages ein Boot angeschwemmt wird, in dem ein toter Mann und ein Säugling sind. Isabel drängt darauf, das Kind zu sich zu nehmen und als eigene Tochter auszugeben. Jahre lang geht dieser Plan auf, bis Hannah Roennfeldt (Rachel Weisz) auftaucht – die leibliche Mutter.
2016 war kein besonders tolles Jahr für Fans von Michael Fassbender. Nachdem dieser 2014 und 2015 eine Reihe guter bis sehr guter Werke ablieferte, war der Output zuletzt recht ernüchternd. X-Men: Apocalypse war der schwächste Teil des Mutanten-Reboots, Assassin’s Creed der übliche Videofilmumsetzungsmurks. Liebe zwischen den Meeren, letzten Herbst noch unter dem Originaltitel The Light Between Oceans in unseren Kinos zu sehen, siedelt sich qualitativ irgendwo dazwischen an. Und das ist schon eine ziemliche Enttäuschung. Nicht nur, weil der irisch-deutsche Darsteller tatkräftige Unterstützung von Alicia Vikander (Ex Machina, The Danish Girl) und Rachel Weisz (Ewige Jugend) erhält. Auf dem Regiestuhl nahm zudem Derek Cianfrance Platz, der zuvor mit Blue Valentine und The Place Beyond the Pines gezeigt hatte, dass er viel von zwischenmenschlichen Dramen versteht.
Die gibt es hier natürlich, zuhauf sogar. Isabel hat zwei Brüder im Krieg verloren, Tom hat neben den traumatischen Gefechtserinnerungen ebenso trübe aus seiner eigenen Familie, es gibt gleich zwei Fehlgeburten, einen unbekannten Toten, eine geraubte Tochter, Selbstaufgabe und Verrat … Wüsste man es nicht besser, die Romanvorlage hätte nicht von M. L. Stedman gestammt, sondern von der Queen of Kitsch Rosamunde Pilcher. Etwas spannender als dort geht es hier zwar schon zu, allerdings sollte man einiges an Geduld dafür aufbringen. Dass es Cianfrance in seinen Filmen nicht unbedingt eilig hat, das hat er bereits mehrfach bewiesen. Hier zeigt er sich aber gänzlich in seiner eigenen Welt, wenn er in einem teils kaum mehr wahrnehmbaren Tempo seine Figuren einführt und langsam zu Charakteren aufbaut. Immer wieder kleine Momente des Glücks zeigt, während draußen die Elemente herrschen.
Gelungen ist der persönliche Aspekt durchaus: Auch dank der prominenten Darsteller wachsen zumindest Isabel und Tom zu nachvollziehbaren Figuren. Bis der eigentliche Film seinen Lauf nimmt und Liebe zwischen den Meeren beginnt, sich um diverse moralische Fragen zu drehen. Ab diesem Zeitpunkt gewinnt das Drama an Intensität und Spannung, jedoch nicht unbedingt an Plausibilität. Nur manchmal sind die Handlungen der Figuren noch nachzuvollziehen, gerade Tom ist mit seiner unerschütterlichen treu-bis-in-den-Tod-Attitüde kaum noch als realer Mensch wahrnehmbar. Von den diversen Zufälligkeiten ganz zu schweigen, die aus dem Film eher eine moralphilosophische Überlegung denn eine am Leben orientierte Geschichte machen. Streckenweise ist das interessant, insgesamt aber doch recht konstruiert.
Immerhin sieht Liebe zwischen den Meeren dabei fantastisch aus: Wenn das Drama in langen Einstellungen das Meer und die abgelegene Insel zeigen, dann freut man sich sogar, wenn hier gerade mal niemand was sagt, um den Zauber nicht zu zerstören. Anstatt der stillen Schönheit zu vertrauen, wurde aber auch hier zu oft zu dick aufgetragen: Die elegische Musik erstickt jedes Gefühl von Einsamkeit und Natürlichkeit unter einem meterdicken Teppich. Gefühlsmanipulation kann so einfach sein. Die Zielgruppe wird es freuen, dass der Soundtrack ebenso wenig subtil ist wie die übertriebene, bleischwere Geschichte. Der Rest kann hingegen aussetzen und die über zwei Stunden anderweitig verbringen.
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