(„T2 Trainspotting“ directed by Danny Boyle, 2017)
20 Jahre war Mark „Rent Boy“ Renton (Ewan McGregor) fort, hatte nach dem Drogendeal, wo er seine Kumpels abgezockt hatte, in Amsterdam ein neues Leben gesucht. Als er zurück in seine Heimat fährt, muss er feststellen, dass sich viel verändert hat. Vieles aber auch nicht. Daniel „Spud“ Murphy (Ewen Bremner) hat seine eigene Drogensucht immer noch nicht im Griff. Simon „Sick Boy“ Williamson (Jonny Lee Miller) kämpft sich mit seiner schlecht gehenden Bar herum, träumt insgeheim aber davon, mit seiner bulgarischen Freundin Veronika (Anjela Medyalkova) ein Bordell zu eröffnen. Und Francis „Franco“ Begbie (Robert Carlyle), der vierte im Bunde? Der ist unlängst aus dem Knast geflohen und sinnt noch immer auf Rache für Rentons Verrat damals.
Was späte Fortsetzungen und Reboots angeht, war man als Kinogänger zuletzt ja nicht unbedingt verwöhnt gewesen. Blair Witch kopierte 17 Jahre nach The Blair Witch Project den Found-Footage-Pionier, ohne dabei zu verstehen, was diesen damals so groß gemacht hatte. Ghostbusters versuchte 27 Jahre später tatsächlich etwas Neues, scheiterte aber aufgrund öder Witze und charmeloser Figuren. So richtig vielversprechend war es dann auch nicht, Trainspotting 20 Jahre später hervorzukramen. Ein Film, der wie kaum ein anderer untrennbar mit der damaligen Zeit verbunden ist, als Großbritannien musikalisch die Welt im Sturm eroberte, die Gesellschaft vor Energie, Lebenslust und Aufbruchsstimmung brannte. Ein Film, der sich von nichts und niemand aufhalten ließ, durch sein Tempo und einen mitreißenden Soundtrack Kult wurde, Ausdruck eines Lebensgefühls.
Wiederholen lässt sich ein derartiges Ereignis natürlich nicht, allein schon weil die (Musik-)Welt heute eine andere ist. Und glücklicherweise versuchen Regisseur Danny Boyle und der Rest des wieder versammelten Filmteams das auch gar nicht. Alt sind die Figuren geworden, müde. Und kein bisschen vernünftiger. Eigentlich hat keiner der vier sein Leben im Griff. Anders als beim ersten Teil ist man sich dessen aber bewusst, die Junkies blicken mit einer Mischung aus Resignation und Wehmut auf die vergangenen 20 Jahre zurück. Oft ist T2 Trainspotting dann auch von einer zuvor nicht gekannten Melancholie geprägt. Teilweise sogar verdammt traurig wird. Zurückhaltend war schon die erste Adaption des gleichnamigen Romans von Irvine Welsh nicht gewesen, wenn es darum geht, die Drogenhölle aufzuzeigen. Und auch die Wiedervereinigung hat keine Vorbehalte, das Publikum emotional durch den Fleischwolf zu drehen.
Aber das ist nur die eine Seite von T2 Trainspotting, denn immer wieder blitzt auch der aufmüpfige Humor von einst durch. Gerade weil die Figuren zwar reflektierter, aber nicht wirklich seriöser geworden sind, gibt es einige unsterblich komische Momente. Vor allem bei den Versuchen, ihre Mitmenschen aufs Kreuz zu legen, zeigt das Duo Renton/Williamson eine absurd kreative Kaltschnäuzigkeit. Dazu passt auch, dass Boyle sich erneut visuell austobt, sich bei Kameraperspektiven einfallsreich zeigt, viel mit Farben spielt und auch immer wieder Vergangenheit und Gegenwart überlappen lässt, indem Szenen aus dem ersten Teil eingebaut werden.
Auch deshalb ist die späte Fortsetzung ein sehr seltsamer Film geworden. Im Grunde ist die Geschichte völlig unabhängig, allein schon ihrer Einfachheit halber wegen. Menschen, die auf ihr (verkorkstes) Leben zurückblicken? Die hat es immer schon gegeben, in den 90ern, heute, in 50 Jahren. Und in allen Ländern der Welt. Anders als der Vorgänger ist T2 Trainspotting daher ein recht universelles und zeitloses Werk, das völlig ohne Kontext funktioniert, selbst für solche, die den Kultvorgänger nie gesehen haben. Und doch: Ohne Trainspotting geht hier vieles verloren, was den Nachfolger so stark macht. Die Begegnung der Junkies braucht die alte Zeit, um ihre volle Wirkung zu entfalten. Man muss bei dem damaligen Sinnesrausch dabei gewesen sein, der so anders war, als das, was wir sonst in Kinos sehen durften, um das Gefühl wirklich teilen zu können, unterwegs auf dem Lebensweg etwas verloren zu haben. Sich das orientierungslos umherirrende und unbeirrt rückwärtsgewandte Drama anzuschauen, das ist so, als würde man Freunde wiedertreffen, die man zwanzig Jahre gesehen hat. Die Haare sind weniger geworden, der Bauch ein bisschen dicker, der Elan geringer. Und doch schaffen sie es, einen daran zu erinnern, wo man herkommt, wer man war, wer man ist – im Guten wie im Schlechten. Und das macht sie und den Film bei all ihren Fehlern zu etwas Besonderem.
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