The Sky Crawlers

(„The Sky Crawlers“ directed by Mamoru Oshii, 2008)

Er ist noch nie hier gewesen, dessen ist sich Yūichi Kannami sicher. Warum aber kommt ihm dann vieles so vertraut vor? Und was ist mit dem Piloten passiert, den er beim Kampf gegen die Feinde von Lautern ersetzen soll? Antworten erhält er keine, auch wenn die Chefin der Basis, Suito Kusanagi, mehr über die Geschichte und seine Vergangenheit zu wissen scheint. Doch zum Reden ist der Jugendliche eh nicht hier, sondern zum Abschießen der feindlichen Flugzeuge. Worin er auch ein großes Talent hat, schnell wird er zum Vorzeigepiloten des Krieges. Ganz los lässt ihn die Ungewissheit aber nicht, was es mit der Geschichte auf sich hat.

Mamoru Oshii, das war noch nie ein Mann vieler Worte. Zumindest keiner der klaren Worte. In Angel’s Egg schickte er uns durch eine surreale Welt, in der viele sonderbare Bilder zu sehen, aber kaum ein Dialog zu hören ist. In seinem bekanntesten Werk Ghost in the Shell wurde schon deutlich mehr gesprochen, wobei der Text eher aus Fragen und Denkanstößen bestand, weniger aus konkreten Aussagen. Das ist bei The Sky Crawlers nicht groß anders, seinem bislang letzten abendfüllenden Animationsfilm. Die philosophische, gesellschaftskritische Ader ist auch hier zu finden. Man muss sie aber suchen und zum Teil lange warten. Sehr lange.

Rund zwei Stunden dauert der Beitrag vom Fantasy Filmfest 2009. Und Oshii hatte offensichtlich vor, diese Zeit auch sehr auszukosten. Warum hier wer gegen wen Krieg führt, das verrät er lange nicht. Auch nicht, was es mit den sogenannten Kildren auf sich hat: Kinder, die nie älter werden. Das Besondere an The Sky Crawlers ist dabei, dass der Film anfangs nicht einmal klar macht, dass da etwas seltsam ist. Anders als The Perfect Insider, welches ebenfalls auf einem Roman des japanischen Autors Hiroshi Mori basiert, halten sich die Mysteryanteile zunächst in Grenzen. Ein normaler Krieg ist es, der hier im Gange ist. Ein etwas älterer Krieg, wenn man sich die altmodischen Flugzeuge anschaut. Dass ausschließlich Jugendliche rumlaufen, das verbucht man noch unter dem üblichen Jugendwahn in Animes, in denen fast immer Teenager die Welt retten müssen. Zugegeben etwas ungewöhnlich sind die Jugendlichen schon, besuchen sie hier doch Bordelle und rauchen eine Zigarette nach der anderen.

Erst nach und nach dämmert einem als Zuschauer, dass der Film nicht mit offenen Karten spielt. Dass die Gespräche, die irgendwie immer im Sande verlaufen, die seltsam fehlenden Reaktionen aller Beteiligten nicht etwa auf inhaltliche Mängel zurückzuführen sind, sondern Teil einer Welt sind, die irgendwie real ist. Gleichzeitig aber auch nicht. An der grundsätzlichen Stimmung des Films gibt es auch nichts auszusetzen, The Sky Crawlers überzeugt durch eine melancholische Atmosphäre – bedingt durch die gedeckten Farben, die Figuren, denen es an einem echten Sinn im Leben fehlt und einen schön nebulös-sphärischen Soundtrack von Kenji Kawai (Vampire Princess Miyu, Higurashi – When They CryIp Man). Spannend ist der Anime jedoch nicht. Dafür beschränkt sich die Geschichte zu sehr auf seine ominösen Andeutungen und die blutleeren Nicht-Figuren. Will sich wichtig machen, ohne eine Gegenleistung zu bringen.

Zwischendurch versucht Oshii seine Romanadaption durch Actionszenen greifbarer zu machen. Und die sind auch durchaus dynamisch inszeniert. Insgesamt ist der Film von Production I.G (Jin-RohAppleseed XIII) sehr ansehnlich. Einige der CGI-Elemente sind natürlich in die Jahre kommen, stammt die Produktion doch schon von 2008. Dafür sind die Animationen erstklassig, die Japaner zeigen uns eine Welt, von der man unbedingt mehr sehen möchte. Und interessanter Stoff wird ja auch durchaus geboten, allerdings erst auf den letzten Metern. Macht sich The Sky Crawlers über lange Zeit einen Spaß daraus, nichts zu sagen, wird man nun auf einmal mit Konzepten überschüttet, die man erst einmal verarbeiten muss. Da wäre ein gleichmäßiges Hinarbeiten doch zielführender gewesen: Anstatt die Gehirnzellen zu beanspruchen, muss hier in erster Linie die Geduld sich beweisen. Und wird am Ende auch nur teilweise belohnt, dafür sind die Ideen dann doch schon zu bekannt. Sehenswert ist das in der Summe schon, das distanzierte Kriegsdrama war seinerzeit aber nicht das erhoffte Animecomeback des Kultregisseurs.



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Die melancholische Atmosphäre ist gelungen, optisch ist ebenfalls kaum etwas vorzuwerfen. Beim Inhalt hapert es hier jedoch: „The Sky Crawlers“ lässt sich viel zu lange Zeit, bis am Ende die interessanten Konzepte in den Zuschauer geprügelt werden.
6
von 10