(„Was hat uns bloß so ruiniert?“ directed by Marie Kreutzer, 2016)
Es ist schon eine ziemliche Bombe, die Stella (Vicky Krieps) und Markus (Marcel Mohab) bei dem gemeinsamen Abendessen mit ihren Freunden da fallenlassen: Sie bekommen ein Kind! Nicht lange drauf ziehen die beiden anderen Paare Mignon (Pheline Roggan) und Luis (Andreas Kiendl) sowie Ines (Pia Hierzegger) und Chris (Manuel Rubey) nach. Bei manchen kommt dieser Nachwuchs erwünscht, bei anderen eher weniger. Aber das ist erst der Anfang: Auch in den Folgejahren kommen die sechs nicht auf einen gemeinsamen Nenner, wie sie mit dem Elternsein umzugehen haben, tragen bei ihrer Lebensplanung immer häufiger Konflikte aus, während sie für ein Filmprojekt von Stella ihre Gedanken festhalten.
„Wo fing es an?
Was ist passiert?
Was hat Dich bloß so ruiniert?“
Etwas mehr als zwanzig Jahre hat das Lied „Was hat Dich bloß so ruiniert“ der deutschen Indie-Popper Die Sterne inzwischen auf dem Buckel. Zumindest Marie Kreutzer scheint aber diese bittere Abrechnung mit der Vergangenheit nicht vergessen zu haben: Nicht nur dass diese den Titel ihres neuen Films beeinflusst hat und mehrfach während der anderthalb Stunden zu hören ist, auch inhaltlich passen beide Werke zusammen. Mit dem Unterschied, dass die österreichische Regisseurin und Drehbuchautorin das Kinderkriegen zum Anlass genommen hat, ihre Protagonisten über sich selbst, vergangene Träume und nicht erfüllte Ansprüche nachgrübeln zu lassen.
Ganz so trostlos und anklagend wie die musikalische Vorlage ist das Drama dann auch nicht. Vielmehr schwingt da immer ein humorvoller, wenn auch manchmal sehr spöttischer Ton mit, wenn die sechs Freunde feststellen müssen, dass das im Leben nicht ganz so funktioniert wie vorgestellt. Von Privilegien und Rebellionen war damals in dem Lied die Rede. Und privilegiert sind die sechs auch, haben gut bezahlte Jobs – der eine mehr, der andere weniger –, leben in schicken Wohnungen, ohne größere echte Sorgen. Und wie das nun mal so ist: Wer keine echten Sorgen hat, der schafft sich selbst welche.
Das ist mal amüsant, wie sich die sechs gegenseitig und sich selbst im Weg stehen, sich ihre jeweiligen Überzeugungen um die Ohren hauen. Mal ist es fast schon tragisch. Mal auch einfach nur nervig. Vor allem die Französin Mignon, die jedem Gutmensch-Trend von Bio bis zum Verzicht auf Windeln folgt, wird mit der Zeit so anstrengend, dass man nicht genau verstehen kann, wie überhaupt noch jemand mit ihr befreundet sein wollte. Aber auch darum geht es eben in Was hat uns bloß so ruiniert?: Was macht die Zeit mit uns? Was ist von den Rebellen übriggeblieben, die wir einmal hatten sein wollen? Denn eigentlich hätte das doch alles ganz anders werden sollen.
Das ist präzise beobachtet und pointiert erzählt. Manchmal jedoch etwas zu pointiert. Um die verschiedenen kaum miteinander zu vereinenden Lebensentwürfe besonders deutlich herauszuarbeiten, setzt Kreutzer auf größtmögliche Kontraste. Dafür nimmt sie dann auch in Kauf, dass die Figuren zuweilen nicht mehr als Karikaturen sind. Schade ist zudem, dass sie bei dem Spiel mit der Entfremdung und Annäherung vor allem das erstere betont. Warum diese so wenig kompatiblen Menschen überhaupt Freunde sein sollen, das erschließt sich aus dem Film nicht. Die Behauptung muss genügen. Insgesamt hat Was hat uns bloß so ruiniert? dann oft auch etwas Künstliches an sich. Ist mehr eine Versuchsanordnung als tatsächlicher Schwank aus dem Leben – verstärkt durch das Filmprojekt, welches die Clique immer wieder zu Big-Brother-Pseudointerviews verdonnert. Aber auch wenn zeitbedingt vieles überspitzt wird, manches nur oberflächlich bleibt, die generelle Sinnsuche der Mittdreißiger wird vielen aus dem Herzen sprechen. Man muss diese Ansammlung irgendwie ruinierter Menschen nicht mögen, nachvollziehen kann man sie oft mehr, als es einem lieb ist.
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