(„Waga Seishun no Arukadia“ directed by Tomoharu Katsumata, 1982)
Ende des 3. Jahrtausends ist die Erde nicht viel mehr als eine Kolonie der Illumiden, einer außerirdischen humanoiden Rasse. Die Bewohner haben sich größtenteils ihrem Schicksal ergeben, lediglich Maya, die einen illegalen Radiosender betreibt, ruft auch weiterhin zum Widerstand auf. Als ihr Verlobter Captain Harlock zur Erde zurückkehrt, wird auch er zu einer entscheidenden Figur dieser Rebellion, der sich mit der Zeit immer mehr Menschen anschließen. Doch dieser Kampf fordert eine Menge Opfer, umso mehr, da viele Erdlinge lieber mit den Besatzern kooperieren wollen, anstatt für ihre Unabhängigkeit zu kämpfen.
Zwei Kinofilme, drei Hauptserien, diverse Spin-offs, dazu unzählige Gastauftritte in anderen Werken – wenn es in dem umfangreichen Werk der japanischen Science-Fiction-Legende Leiji Matsumoto ein Aushängeschild gibt, dann ist es sicher die Figur des Captain Harlock. Arcadia of My Youth nimmt hierbei eine Art Sonderrolle ein, da das hier in vielerlei Hinsicht eine Art Origin Story des Weltraumpiraten darstellt. Nicht nur, dass erzählt wird, wie er zu einem Ausgestoßenen wurde, wir erfahren außerdem, wie er an sein Schiff kam, weshalb er sein Auge verloren hat, auch diverse der berühmten Crewmitglieder stoßen hier erst noch hinzu. Zeitlich spielt der Kinofilm von 1982 damit vor der Serie Space Pirate Captain Harlock, die vier Jahre zuvor den Startschuss für die beliebte Space Opera setzte, und erzählt dadurch deren Vorgeschichte. Theoretisch.
Praktisch sollte man an Matsumotos Werke aber nie den Anspruch erheben, dass sie wirklich wahnsinnig viel erklären. Zusammenhängen tun sie irgendwie alle, nicht zuletzt, weil oft Figuren der einen Saga in der anderen auftauchen. Kontinuität ist dabei aber fast nie gegeben, häufig widersprechen sich die Ereignisse auch ganz kräftig. Nicht einmal innerhalb des Kanons von Captain Harlock blieb der Geschichtenerzähler bei einer Fassung. So waren in der ersten Serie Harlock und der Mechaniker Tochiro Jugendfreunde, während die Piratin Emeraldas erst später hinzustieß. Bei Arcadia of My Youth ist es genau umgekehrt.
Verwirrend ist der Film aber nicht nur, wenn man ihn in Einklang mit anderen Werken bringen will. Auch für sich stehend ist vieles hier ein wenig verwirrend. Beispielsweise beginnt Arcadia of My Youth mit zwei Geschichten rund um Vorfahren von Harlock. Die heißen nicht nur wie er, sondern sehen auch völlig identisch aus. Einschließlich der Narbe im Gesicht. Durchaus möglich, dass Matsumoto auf diese Weise einen ewigen Kreislauf beschwören wollte. Schließlich spiegeln sich manche Erfahrungen der Ahnen in denen des Rebellen wieder. Insgesamt halten sich die philosophischen Aspekte aber in Grenzen, in der Hinsicht war Galaxy Express 999 der spannendere Titel. Seltsamerweise sind aber auch die over-the-Top-Elemente von Space Pirate Captain Harlock kaum mehr vorhanden, ebenso wenig die Comic-Relief-Szenen und -Charaktere. Gekämpft wird nur noch selten, das Tempo ist bei über zwei Stunden relativ niedrig.
Stattdessen ähnelt der Film vielmehr der elf Jahre später erschienenen Anthologie The Cockpit. Statt des Science-Fiction-Szenarios konzentriert man sich hier auf die Auswirkungen des Krieges und die Rolle der Menschen darin. Arcadia of My Youth mag in einer fernen Zukunft spielen, ist aber im Grunde eine sehr zeitlose Geschichte von aufrechten Helden und ihrem Widerstand. Vor allem Vergleiche zum besetzten Frankreich während des Zweiten Weltkriegs liegen nahe. Das geht mit viel Gerede von Ehre einher, einer Unmenge von Pathos. Aber insgesamt mit nur wenig Spannung. Die Figuren sind eindimensional, von den Feinden erfährt man im Gegensatz zur ersten moralisch ambivalenteren Serie praktisch gar nichts, es fehlt auch der Abenteueraspekt. Sonderlich viel Sinn sollte man ohnehin nicht erhoffen.
Dafür stimmt die Atmosphäre: Regisseur Tomoharu Katsumata und das Traditionsstudio Toei Animation, die auch bei diversen anderen Science-Fiction-Animes zusammengearbeitet haben (Captain Future, Goldorak – Kampf der Welten, Das Ende aller Tage – Future War 198X), zeigen sich auf der Höhe ihres Könnens. Moderne Effekte braucht man von einer Produktion aus den frühen 80ern natürlich nicht erwarten, einige der Kämpfe sind eher putzig denn packend. Es gelingt ihnen aber schön, das Gefühl zu vermitteln, Teil einer epischen und sehr tragischen Geschichte zu sein. Eine Geschichte voller düsterer Bilder und dramatischer Musik. Voller großer Helden, die allen Widerständen trotzen, selbst wenn es sie zum Schluss alles kosten soll. Fans etwas dicker aufgetragener Kriegsdramen werden hier deshalb ihren Spaß haben. Sofern sie nicht Importen abgeneigt sind. Am günstigsten kommt man mit der Frankreich-Version namens Albator 1984 weg, die für wenig Geld neben dem Film auch die komplette anschließende Serie Endless Orbit SSX enthält. Wer die englischsprachige Fassung benötigt, muss sich noch ein wenig gedulden: Das derzeit nur antiquarisch und für viel Geld erhältliche Arcadia of My Youth wird Ende Mai wiederveröffentlicht, erstmals sogar auch auf Blu-ray.
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