(„The Lost City of Z“ directed by James Gray, 2017)
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wird der Brite Percy Fawcett (Charlie Hunnam) mit der Vermessung und Kartografierung der bolivianischen und der brasilianischen Grenze beauftragt. Obwohl er zu Hause Frau und Kinder hat, tritt Fawcett die Reise in den lebensfeindlichen Dschungel, der von tödlichen Tieren und feindseligen Indios beherrscht wird, an. Bei seiner Fahrt auf dem Amazonas kommen ihm Gerüchte über eine hochentwickelte Zivilisation, die in einer riesigen goldenen Stadt mitten im Urwald gelebt haben soll, zu Ohren. Besessen von der Vorstellung diesen Ort zu finden, macht sich Fawcett zusammen mit seinem treuen Begleiter Henry Costin (Robert Pattinson) noch weitere Male auf in den Mato Grosso – den gefährlichsten Teil des brasilianischen Urwalds.
Heutzutage kennt kaum mehr jemand den Namen Percy Fawcett. Vor rund 90 Jahren war das noch ganz anders. Über seine Suche nach einer versunkenen Stadt im Amazonasgebiet, die er selber der Einfachheit halber „Z“ nannte, wurde in Zeitungen auf der ganzen Welt berichtet, und Millionen von Lesern verfolgten mit Spannung seine Reise. Mit der Zeit nahm das öffentliche Interesse an seiner Person jedoch merklich ab. Dennoch schien es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis Hollywood sich der Geschichte annimmt. Denn die Besessenheit Fawcetts sowie seine Leidenschaft bei der Suche nach einer verschollenen Zivilisation, seine Aufenthalte in einer unwirtlichen Gegend und sein rätselhaftes Schicksal schreien ja gerade nach einer Verfilmung für die große Leinwand.
Klassische Abenteuer von großen mutigen Männern, die wildes, gefährliches, unbekanntes Terrain erforschen, die findet man in Filmen inzwischen eher selten. Zumindest solchen, die auf der Erde spielen. Aus gutem Grund: In einer Welt, die völlig vernetzt sind, Menschen selbst im vietnamesischen Dschungel Selfies machen und auf Facebook posten, da bleibt nicht mehr viel Platz für Geheimnisse. Umso schöner war die Überraschung, in kurzer Folge gleich zwei solcher klassischer Abenteuerfilme auf der großen Leinwand zu sehen. Erst machten wir in Kong: Skull Island auf einer unerforschten Insel die Bekanntschaft diverser wenig einladender Riesenviecher, nun geht es in Die versunkene Stadt Z tief in den südamerikanischen Dschungel. Dass beide zu einer Zeit spielen, die mehrere Jahrzehnte zurückliegt, ist naheliegend und passt auch zu dem altmodischen Charakter der Filme.
Auf den (unbefriedigenden) Spuren der Figuren
Dennoch sind beide Werke nur bedingt miteinander vergleichbar. Das liegt zum einen natürlich daran, dass sich Kong: Skull Island in die üblichen Kleinejungenbombastfantasien stürzt, während Die versunkene Stadt Z auf einem zwar fiktionalisiert aufbereiteten, aber doch wahren Schicksal beruht. Vor allem aber war das Ziel hier ein völlig anderes. Ging es beim Riesenaffen in erster Linke um CGI-Effekte und groß inszenierte Kämpfe konzentrierte sich Regisseur James Gray (The Immigrant) auf seine Figuren. Auf Fawcetts Kampf um seinen großen Entdeckertraum. Das ist als Alternative interessant, zumal beim Kollegen zwar Dutzende von Menschen herumliefen, die aber ohne jegliche Kontur blieben. So ganz erreichte er sein Ziel aber nicht. Eigentlich erfahren wir von dem Entdecker nur, dass er mit einer Mischung aus bewundernswerter Hingabe und zweifelhafter Besessenheit etwas nachjagt, von dem keiner genau sagen kann, ob es das gibt. Als Porträt ist das ein bisschen wenig. Schlimmer noch hat es aber den Rest des Ensembles erwischt. Percy Frau Nina (Sienna Miller) und sein Sohn Jack (Tom Holland) werden in Konflikten gezeigt, die gleich wieder vergessen sind. Man erfährt eigentlich nie, wer die beiden sind, obwohl sie eine zentrale Rolle spielen. Und auch Angus Macfadyen (Braveheart) ist nicht mehr als ein leicht lächerlicher Gegenentwurf zum heroischen Fawcett.
Das ist letztendlich auch der Zeit geschuldet. Eine Laufzeit von 140 Minuten ist zwar durchaus nicht wenig, aber doch zu knapp bemessen, um zwei Jahrzehnte filmisch festzuhalten. Und so verkommt Die versunkene Stadt Z dann auch recht bald zu einer bloßen Szenenansammlung, in der alles seltsam gleichberechtigt nebeneinandersteht: Dschungelausflüge, Debatten vor der Royal Geographical Society, Familienstreitigkeiten, Kriegstraumata. Alles verschwimmt, ohne einen echten Eindruck zu hinterlassen. Schade ist das vor allem bei den Expeditionen, die sich eigentlich als Herzstück anbieten würden, am Ende aber ohne echtes Herzblut bleiben. Am besten ist noch die erste gelungen, in der tatsächlich noch mittels kleiner Actionszenen die Spannung nach oben getrieben wird. Spannung, die später fehlt. Jeder weitere Versuch, in den Dschungel vorzudringen, endet so schnell, wie er angefangen hat, es entwickelt sich hier nie wirklich das Gefühl, auf einer gefährlichen Reise zu sein. Oder auch in einer anderen Welt. Der kolumbianische Kollege Der Schamane und die Schlange zeigte letztes Jahr, wie mit minimalen Mitteln die Begegnung eines weißen Forschers mit der ursprünglichen Welt Südamerikas zu einem faszinierend-poetischen Sinnesrausch werden kann. Davon ist hier nichts zu spüren. Wenn Fawcett und seine Crew durch das Niemandsland schippern, dann wirkt das trotz der schönen Aufnahmen eher wie ein Nachmittagsausflug von Touristen, die nur darauf warten, ihre Handykamera zu zücken.
Die gesamte Geschichte des britischen Abenteurers erstreckt sich über rund 20 Jahre, und diesen ganzen Stoff in einer filmische Umsetzung unterzubringen ist auch nicht ganz leicht. Doch hier muss man an Regisseur und Drehbuchautor James Gray ein Lob aussprechen, denn er schafft es, diese zwei Jahrzehnte größtenteils gleichmäßig und mit den wichtigsten Daten gespickt auf die knapp zweieinhalb Stunden Laufzeit zu verteilen. Lediglich die letzte Reise kommt etwas zu kurz und sie fühlt sich so an, als hätte man sie am Ende noch irgendwie unterbringen müssen. Das ist besonders schade, da diese Unternehmung eigentlich die interessanteste von allen war.
Viele Erlebnisse, wenig Spannung
Das größte Problem von The Lost City of Z ist jedoch, dass der Zuschauer zwar einiges zu sehen, aber kaum etwas zu erleben bekommt. Die Bilder im Dschungel sind eindrucksvoll, die auf dem Schlachtfeld erschreckend realistisch. Dennoch kommt der Film, der auf dem gleichnamigen Buch von David Grann basiert, ohne atemberaubende und bildgewaltige Aufnahmen daher, was bei dem vorhanden gewesenen Potenzial eine geradezu ärgerliche Verschwendung ist. Doch wie bereits erwähnt gibt es auch kaum etwas zu erleben. Denn der Film wirkt wie eine Aneinanderreihung von Szenen ohne wirkliche Höhepunkte und ohne einen aufgebauten Spannungsbogen.
Und genauso endet der Film dann auch: abrupt und überraschend. Immerhin wurde hier nicht versucht mit aller Macht einen fiktiven Schluss herbeizuführen. James Gray hält sich auch hier sehr nah an den wahren Begebenheiten, und am Ende ist der Betrachter ebenso unwissend, wie es die Forscher, die sich seit Jahrzehnten mit der Geschichte um Percy Fawcett beschäftigen, sind. Schlussendlich, womöglich im Abspann, hätte man sich dann aber doch noch kurz mit den Theorien befassen können, die sich um den britischen Entdecker ranken, um dem Zuschauer, der sich mit der Materie bis hierhin noch nicht beschäftigt hat, wenigstens ein paar Anhaltspunkte zu geben.
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