El Olivo
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El Olivo – Der Olivenbaum

(„El Olivo“ directed by Icíar Bollaín, 2016)

„El Olivo“ ist seit 3. März 2017 auf DVD und Blu-ray erhältlich

Alma (Anna Castillo) ist sauer. Auf das Leben, auf ihre Eltern, eigentlich auf alles. Nur ihren Großvater (Manuel Cucala), den mag sie noch, hat sie mit ihm doch eine wundervolle Kindheit verbracht. Von dem alten Mann ist jedoch kaum mehr etwas übriggeblieben. Seit Jahren schon spricht er nicht mehr, auch sein Gedächtnis verschwindet langsam im Nirgendwo. Da hat Alma eine Idee: Sie will nach Düsseldorf! Dort nämlich steht der alte Olivenbaum, den die Familie einst verkauft hat, um von dem Geld ein Restaurant am Strand eröffnen zu können. Wenn sie diesen Baum zurückholt, dann würde sie ihren Opa heilen können, davon ist sie überzeugt. Sie schafft es dann auch tatsächlich, ihren Onkel Alcachofa (Javier Gutiérrez) und den Freund Rafa (Pep Ambròs) zu überreden, mit ihr gemeinsam hinzufahren – ohne ihnen die ganze Wahrheit zu erzählen.

Der schottische Drehbuchautor Paul Laverty lässt sich ganz gerne mal Zeit bei der Arbeit, recherchiert lange, bevor er sich ans Schreiben macht. 2016 war es dann aber doch mal wieder so weit und wir durften etwas Neues von ihm auf der großen Leinwand sehen. Zwei Werke waren es sogar, die nahezu zeitgleich in die Kinos kamen: Das preisgekrönte Ich, Daniel Blake mit Lavertys Dauerkompagnon Ken Loach. Und eben El Olivo – Der Olivenbaum, der von seiner Lebensgefährtin Icíar Bollaín inszeniert wurde. Die wiederum lernte er 1995 beim Dreh von Land and Freedom kennen, einem weiteren Drama von Loach. Der Kreis schließt sich.

Um sich schließende Kreise geht es auch bei El Olivo. Vergangenheit und Zukunft, Erinnerungen und Hoffnungen, all das geht hier Hand in Hand. Dass ein 2000 alter Baum verkauft wurde, um einen neuen Laden zu finanzieren, ist natürlich kein Zufall. Ebenso wenig, dass dieser Laden bald drauf wieder dicht machen musste. Der Baum, vorher noch Mittel zum Zweck, wird nun zum Bindeglied. Zum Großvater, der den Verkauf des Familienbesitzes nie überwunden hat. Aber auch ein Bindeglied zur Vergangenheit selbst, zu den schönen Erinnerungen, die Alma hat. Und zu seinen Erinnerungen.

Immer wieder lässt Laveryt auf diese Weise die verschiedenen Ebenen miteinander kreuzen, verbindet eine Familiengeschichte mit der Situation eines gesamtes Landes – das stark wachsende Spanien, das sich übernahm und in eine Krise purzelte. Die Konflikte zwischen den Generationen mit der wirtschaftlichen Entwicklung einer Gesellschaft, die nach einer gescheiterten Zukunft nach Halt sucht und diese in der Vergangenheit findet. Das ist nicht unbedingt immer subtil. Dass beispielsweise der Baum nun in einem deutschen Unternehmen steht, dort zu Marketingzwecken missbraucht wird, das natürliche Drumherum einer klinisch reinen Umgebung weichte, das ist Symbolismus, wie ihn so ziemlich jeder verstehen dürfte, da er schamlos Klischees bedient.

Auch an anderen Stellen zeigt sich El Olivo ein bisschen ungelenk. Die Nebenhandlung um neue Medien, sie sich für Almas Geschichte interessieren, ist zwar leidlich amüsant, führt aber zu weit weg von dem, worum es hier eigentlich geht. Da hätte Laverty seine Ambitionen, irgendwie alles, was derzeit relevant ist, in nur einen Film zu packen, dann doch besser etwas beschneiden sollen. Viel schöner sind die Momente, in denen es gar nicht um das große Ganze geht, die Tragikomödie sich allein auf die Familie beschränkt. Gerade die rührenden Momente zwischen Alma und ihrem Großvater, wenn sich die furchtbare Wut in ihr fängt, man das Gefühl bekommt, dass alles irgendwann gut werden kann, gehören zu den Höhepunkten des Films. Zumal Laverty dort auch zumindest versucht, nicht allzu sehr in Schwarz und Weiß zu malen: Die diktatorischen Züge des alten Mannes werden angesprochen, Alma selbst ist auch nicht unbedingt ein glühendes moralisches Vorbild. Aber so ist das nun mal mit dem Leben, auch wenn El Olivo manchmal so tut, als wäre die Wahrheit ganz einfach. Als wären die Lösungen auf die Probleme ganz einfach. Am Ende kommt es doch irgendwie anders, als man es sich auf der langen Fahrt vorgestellt hat. Man findet dort nicht immer das, was man erwartet hat.



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„El Olivo“ kombiniert Sozialkommentar mit einer Familiengeschichte zu einem etwas anderen Road Movie. Das ist manchmal wenig subtil, führt auch nicht immer ans Ziel, ist insgesamt aber doch recht schön – vor allem während der leiseren Momente.
7
von 10