Frau Temme sucht das Glueck
© ARD/Fastbreak

Frau Temme sucht das Glück

(„Frau Temme sucht das Glück“ directed by Fabian Möhrke, 2017)

„Frau Temme sucht das Glück“ ist seit 15. März 2017 auf DVD und Blu-ray erhältlich

So wie bisher kann es nicht weitergehen, das ist allen bei der „Rheinischen Versicherung“ bewusst. Durch diese vermaledeiten Niedrigzinsen lässt sich auf herkömmliche Weise kaum noch Geld verdienen. Aber was tun? Die Antwort: teure Versicherungen, deren Szenario so unwahrscheinlich ist, dass es kaum je in Erfüllung gehen kann. Da man aber nie sicher genug sein kann, dürfen Abteilungsleiter Hans-Peter Mühlens (Martin Brambach) und seine Mitarbeiter Carla Tamme (Meike Droste), Frank Weber (Sebastian Schwarz) und Horst Ballsen (Ronald Kukulies) jeden Fall prüfen und sei er noch so absurd.

Deutschland scheint seine Vorliebe für Skurrilitäten entdeckt zu haben. Zumindest im Rahmen des Fernsehprogramms. Nachdem Der Tatortreiniger uns die Verrücktheiten der Lebenden mithilfe der Verstorbenen nähergebracht hat und Der letzte Cowboy bei seiner Staubsauger-Verkaufsversuchen bizarre Dinge unter dem Teppich hervorkehrt, nun das. Wenn in Frau Temme sucht das Glück gegen den Tod durch gefrorene Hühnchen versichert werden soll, dann ist das nur der Auftakt für einen Wettbewerb, wer die kuriosesten – um nicht zu sagen lächerlichsten – Versicherungen abschließen will.

Absurdität ist Trumpf
Zu lachen gibt es in den sechs Folgen der ersten Staffel daher einiges, immer wieder überschreitet die Serie bewusst die Grenze zum Absurden. Dass das so gut funktioniert, liegt auch am starken Kontrast. Versicherungen? Das bedeutet normalerweise das ziemliche Gegenteil von Spaß und Witz. Nüchternes Zahlenmikado, emotionslose Rechenschieberei, das will doch niemand freiwillig und unentgeltlich sehen. Aber es ist eben dieses Zusammenspiel aus den verrückten Einfällen und dem oft kläglichen Versuch, diese irgendwie in rationale Risikoanalysen zu fassen, aus der Frau Temme sucht das Glück seinen Humor bezieht.

Und doch: Die Serie will mehr. Man hätte es sich hier leicht machen können, einfach nur jede Folge noch ein klein wenig wahnsinniger zu machen. Das Herzstück ist aber eben nicht der Wahnsinn, sondern der Versuch, in dem Wahnsinn zu bestehen. Frau Temme sucht das Glück, das erinnert ältere Semester vielleicht an den Zeichentrickklassiker Herr Rossi sucht das Glück, wo ein unscheinbarer, kleiner Angestellter von großen Abenteuern träumt. Von einem aufregenden Leben. Carla Temme wäre schon froh, wenn sie überhaupt ein Leben hätte. Sie ist keine Witzfigur, trotz des sie umgebenden Chaos. Sie ist anständig, ernsthaft an dem Schicksal anderer Menschen interessiert. Und sie ist traurig. Traurig über die fehlenden Zukunftsperspektiven. Traurig über die Vergangenheit, ihren Mann, der vor zehn Jahren spurlos verschwand, den sie aber nie hat aufgeben können.

Wenn Beruf und Privatleben im Chaos enden
Immer wieder vermischen sich hier dann auch das Berufliche und das Private. Claras Schwester Hannah (Anna Blomeier) spielt eine wichtige Rolle, der gutaussehende Schwede Mikael (Richard Ulfsäter), der eines Tages in Claras Leben auftaucht. Und auch Dr. Holger Jeckel (Johann von Bülow), der Chef der Risikoanalystin. Sie alle sind auf der Suche nach dem Glück, versuchen zwischen Risiko und Sicherheit den geeigneten Ort für sich zu finden und scheitern doch regelmäßig daran. Auch hier neigt die von Fabian Möhrke (Eichwald, MdB) dazu, den Pfad der Wahrscheinlichkeit zu verlassen, um kräftig mit Zufällen oder auch Klischees zu hantieren. Oder einfach nur mal herzhaft zu übertreiben. Ein Problem ist das jedoch nicht, wenn dies wie hier mit so viel Charme, Witz und Einfühlungsvermögen geschieht. Und dem einen oder anderen Denkanstoß. Das Glück hat Clara am Ende nicht gefunden. Zumindest noch nicht. Aber vielleicht dürfen wir uns ja auf eine zweite Staffel freuen, in der die noch herumfliegenden Handlungsstränge wieder aufgegriffen werden. In der Zwischenzeit aber heißt es den Moment zu genießen. Und das Glück, diese kleine feine Serie geschenkt bekommen zu haben, die zeigt, dass das viel gescholtene deutsche Fernsehen doch was zu erzählen hat.



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Nüchternes Zahlenjonglieren trifft absurde Schicksale, berufliches Chaos auf privates: „Frau Temme sucht das Glück“ ist eine kleine feine Serie über den Versuch, beim Jonglieren mit Risiko und Sicherheit das eigene Glück und sich selbst zu finden.
8
von 10