(„Ghost in the Shell“ directed by Rupert Sanders, 2017)
Der technische Fortschritt ist nicht aufzuhalten, hat jeden Bereich unseres Lebens erreicht. Sogar das Leben selbst. Das Gehirn von Major (Scarlett Johansson) beispielsweise wurde nach einem schrecklichen Unfall in einen Cyborg versetzt, der nun mit übermenschlichen Fähigkeiten für die Elite-Einsatztruppe Sektion 9 unter Führung von Aramaki (Takeshi Kitano) kämpft. Denn Verbrechen gibt es auch in der Zukunft mehr als genug. Vor allem der Cyber-Terrorist Kuze (Michael Pitt) sorgt derzeit für Angst und Schrecken, hat er doch die Fähigkeit, sich in andere Menschen zu hacken und diese zu kontrollieren. Aber zu welchem Zweck? Was hat der mysteriöse Unbekannte vor?
Filme, die schon vorab für Kontroversen sorgen, gab es zuletzt ja so einige. Vor allem Neuauflagen bzw. Neuinterpretationen bekannter Franchises sind oft mit Ärger verbunden, wenn sie sich zu sehr von der Vorlage wegbewegen. 2016 waren es Doctor Strange und Ghostbusters, die so manchen Shitstorm durch fragwürdige Besetzungen ausgelöst haben. Im Marvel-Abenteuer stieß man sich vor allem am Whitewashing: Der alte Tibetaner aus dem Comic wurde durch eine jüngere weiße Frau ersetzt. Bei den Geisterjägern kam neben der strittigen Entscheidung, alle Männer durch Frauen auszutauschen, hinzu, dass der Humor durch simple One-Liner ausgetauscht wurde. Nun ist es Ghost in the Shell, dem eine lautstarke Gruppe den frühen Filmtod wünscht, noch bevor diese das fertige Ergebnis gesehen hat.
Kriegserklärung an die Fans
Verständlich ist das schon. Der Manga von Masamune Shirow bzw. Mamoru Oshiis Anime-Adaption von 1995 gehören zu den heiligsten Kühen, welche die japanische Popkultur hervorgebracht. Sind Klassiker des Cyberpunks, die mit ihren Fragen zum Verhältnis von Mensch und Maschine ein ganzes Genre beeinflusst haben. Und dann das: Die Hauptfigur Motoko Kusanagi wird von einer Amerikanerin gespielt. Scarlett Johansson. Dass hierbei die virtuellen Mistgabeln gezückt werden, dürfte niemanden überraschen, war sicherlich von Paramount Pictures auch in Kauf genommen. Denn anders als Warcraft: The Beginning letztes Jahr, das es für Nicht-Fans unmöglich macht, jegliche Form von Spaß zu haben, richtet sich Ghost in the Shell eher an Neuzuschauer.
Das mag riskant sein. Aber eben auch legitim. Zumal man gute Gründe für diesen Besetzungscoup finden kann. Zum einen bringt Johansson eine Star-Power mit, die keine asiatische Schauspielerin für sich beanspruchen könnte. Und irgendwie müssen die immensen Kosten ja auch wieder eingespielt werden. Zumal die Amerikanerin reichlich Genre-Erfahrung hat. Lucy wurde zu einem beachtlichen Blockbuster, in Under the Skin und Her war sie aufgrund ihrer Emotionslosigkeit eine Idealbesetzung. Wer, wenn nicht sie, sollte also die Rolle des Majors übernehmen? Außerdem: Der Punkt von Ghost in the Shell war immer gewesen, wie sehr Grenzen verschwinden, wie Individualität verschwindet. Wenn Menschen zu Cyborgs werden, ohne eigenen Körper, spielt es dann noch eine Rolle, wie sie aussehen?
Schade nur, dass man hier nicht wirklich konsequent war. Takeshi Kitano als Truppenführer Aramaki einzusetzen und ihn ausschließlich Japanisch sprechen zu lassen – als einziger im Ensemble –, war schon ein interessanter Einfall. Aber einer, der in den anderen Figuren nicht fortgesetzt wurde. Beeindruckend ist es schon, wie international die Besetzung ist. Der Däne Pilou Asbæk spielt Majors Partner Batou, der Singapure Chin Han den Kollegen Togusa, die Französin Juliette Binoche darf als Dr. Ouélet für die wissenschaftliche Seite des Cyborgexperiments verantwortlich sein. Auch hier noch mit den Sprachen zu spielen, die Grenzen der Kommunikation und Nationalitäten aufzubrechen, hätte einem Film, der viel von Identität in einer entmenschlichten Welt handelt, viel Flair gegeben. Ganz so mutig war man hier dann aber doch nicht. So wie man allgemein dem Publikum nicht viel zumuten wollte.
Visueller Fortschritt, inhaltlicher Rückschritt
Das ist dann auch das eigentliche Problem von Ghost in the Shell: die Mutlosigkeit. Anstatt das Konzept selbst weiter voranzutreiben, Fragen zu stellen, die in den 80ern und 90ern vielleicht noch undenkbar waren, ist der neue Film ein Rückschritt. Er nimmt Versatzstücke aus dem Film und dem Manga, reichert diese mit der actionlastigeren Ausrichtung der Serie Stand Alone Complex an. Und verwässert im Anschluss alles. Die existenzphilosophischen Aspekte der Vorlage sind hier nur noch in Ansätzen zu finden. Welche Bedeutung haben Erinnerungen? Was macht eine Persönlichkeit aus? Einen Menschen? All das schimmert durch, wird im Anschluss aber gleich wieder vergessen. Oder verdrängt. Stattdessen wird eine erschreckend banale und gradlinige Geschichte erzählt, die weder überraschend, noch sonderlich überzeugend ist.
Und das ist auch deshalb so schade, weil die Welt, welche Regisseur Rupert Sanders (Snow White & The Huntsman) hier erschaffen hat, zu den visuell faszinierendsten gehört, die man in der letzten Zeit sehen durfte – unabhängig von Nationalität oder Darstellungsform. Während die Stadt der Zukunft aus der Ferne einen nicht ganz unpassend sehr künstlichen Look hat, wird es vor allem dann großartig, wenn Major und die anderen zu Fuß unterwegs sind. Eine Mischung aus Moloch und Hightech, dreckige Straßen und hausgroße Hologramme, die an allen Ecken und Enden erscheinen: Dem Team gelang es, New Porty City auf eine Weise zum Leben zu erwecken, die einem immer wieder den Atem raubt. Auch sonst gibt es immer wieder kleinere optische Höhepunkte, zum Beispiel die anfängliche Begegnung mit Roboter-Geishas – eine von vielen kleinen Verneigungen vor dem Original. Inhaltliche, optische, musikalische. Wenn man es schafft, die berechtigte Enttäuschung über diverse Punkte beiseitezuschieben oder als Neuling ohnehin keine konkreten Erwartungen hat, dann lohnt sich allein der Bilder wegen schon der Gang ins Kino. Zu wünschen wäre es dem Film jedenfalls, dass viele ihn sehen und wir später noch ein weiteres Mal in die Zukunft mitgerissen werden. Vielleicht haben die Drehbuchautoren bis dahin auch eine Geschichte gefunden, die dem Franchise und der Umsetzung auch gerecht wird.
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