(„Looking: The Movie“ directed by Andrew Haigh, 2016)
Neun Monate ist es mittlerweile her, dass Patrick (Jonathan Groff) die Zelte abgebrochen hat, um in Colorado noch einmal neu anzufangen. Und er hat alles dabei hinter sich gelassen. San Francisco, wo er viele Jahre gelebt hat. Seine besten Freunde Agustín (Frankie J. Alvarez) und Dom (Murray Bartlet). Seinen Ex-Freund Richie (Raúl Castillo). Seine Arbeit. Vor allem aber Kevin (Russell Tovey), von dem er sich nach einer stürmischen Affäre getrennt hat. Aber nun ist er zurück, für ein Wochenende zumindest. Denn Agustín und Eddie (Daniel Franzese) haben sich entschieden zu heiraten. Für Patrick ist das nicht nur ein wunderbarer Anlass, seine alten Freunde wiederzusehen, sondern auch mit jenem Leben endgültig abzuschließen, dass er damals Hals über Kopf abgebrochen hat.
Es ist das Kreuz von Serienfans, dass sie sich immer wieder auf ein neues Abenteuer einlassen müssen: Wird es nach dieser Staffel noch eine weitere geben? Wird die Geschichte auf wirklich fortgesetzt? Viele Fernsehproduktionen sterben schließlich angesichts enttäuschender Zuschauerzahlen einen frühen Tod. Oft mit einem Cliffhanger, der auf diese Weise nie aufgelöst wird. Auch Looking war keine dritte Staffel vergönnt, nicht zuletzt weil die anvisierte Zielgruppe mit den eher beiläufigen Geschichten um die Schwulenclique nicht ganz so viel anfangen konnte. Immerhin versammelten sich die Fans online aber so zahlreich, dass HBO zumindest ein TV-Special produzierte, um die losen Fäden von Staffel 2 zusammenzuführen. Das war dann zwar fast schon ein wenig ironisch, da sich Regisseur Andrew Haigh und Serienschöpfer Michael Lannan eigentlich gerade im Vagen gefielen. Im Suchen, nicht im Finden. Willkommen ist die letzte Begegnung mit Patrick, Agustín und Dom aber schon. Willkommen und bewegend.
Eine großartige Handlung hat der Film nicht, soll sie aber auch gar nicht haben. Anstatt das Trio in immer neue tragikomische Szenen zu schubsen, laufen wir mit Patrick ein letztes Mal durch San Francisco, sehen alte Orte wieder, alte Mitstreiter. Fast alle relevanten Figuren sind für das Special zurückgekehrt, schwelgen in Erinnerungen, träumen von früher. Mit einer Ausnahme. Wenn Patrick und Kevin aufeinandertreffen, dann geschieht das auf eine ungewohnt schmerzhafte Weise. Wo die Serie oft von der Unsicherheit sprach, von Ängstlichkeit, Menschen zeigte, die vor allem und jedem davonliefen, das klare Wort um jeden preis mieden, wird es hier auf einmal explizit. Er will die Toten begraben, als er nach San Francisco zurückkommt. In dem Film dürfen wir nun sehen, was das eigentlich bedeutet. Dass Erwachsensein manchmal heißt dazubleiben und die eigenen Abgründe sehen zu müssen. Die eigene Hässlichkeit.
Oder vielleicht doch nicht? Eine der Stärken von Looking war immer gewesen, keine definitiven Antworten geben zu wollen, die das Leben selbst auch nicht geben kann. Und auch wenn man beim Finale ein bisschen davon abkommt, zum Zwecke des Abschlusses so manche fünfe gerade sein lässt, im Grunde hat man das Prinzip beibehalten. Soll heißen: Was für den einen funktioniert, muss es nicht für den anderen tun. Ob privat oder beruflich, das Glück kann für jeden etwas anders sein. Das macht es natürlich schwierig, denn Haigh und Lannan können uns nicht den Trost eines Ideals geben. Dafür aber einen anderen: Nicht alles muss ein Happy End haben. Vielleicht geht am Ende alles gut, vielleicht nicht. Vielleicht hätte das alles anders kommen. Vielleicht war von vornherein keine Chance da, so sehr wir sie auch sehen wollten. Aber auch das wäre dann in Ordnung, denn die Suche nach dem Glück, sie darf scheitern. Sie muss es manchmal sogar.
Und wie wir da so ein letztes Mal zusammensitzen, Vergangenheit und Zukunft, die kleinen und großen Lebenspläne im Gepäck, ist es schwer, nicht ein bisschen ergriffen zu sein. Wehmütig zu sein, dass wir uns nun tatsächlich verabschieden müssen. Aber auch glücklich, dass wir die Chaoten überhaupt haben kennenlernen dürfen, die uns während ihres täglichen Suchens, den komischen Momenten und den harten viel über sich verraten haben. Und über uns. Es ist schade, dass Looking nicht mehr Zuschauer vergönnt waren. Denn so präzise beobachtet, so leichtfüßig erzählt, so wunderbar menschlich war in den letzten Jahren kaum eine Serie.
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