(„Original Copy“ directed by Georg Heinzen und Florian Heinzen-Ziob, 2015)
Dass die Filmbranche nicht mehr ganz so robust ist, wie sie es einmal war, das dürfte der eine oder andere mitbekommen haben. Auch durch die vielen neuen Unterhaltungsformen gehen immer weniger Leute ins Kino, die Verkaufszahlen von DVDs zeigen ohnehin seit Jahren nach unten, ohne dass Streaming und Co. dies ausgleichen könnten. Meistens wird dabei dann aber doch nur nach oben geschaut. Zu den berühmten Stars, die Flops landeten. Zu den großen Studios, bei denen immer wieder gemunkelt wird, sie könnten aufgekauft oder dichtgemacht werden. Auf die Bewegungen innerhalb der Top 10 der Länder. Auch Georg Heinzen und Florian Heinzen-Ziob haben sich dieses Thema zu eigen gemacht. Doch der Blick des Vater-Sohn-Gespanns geht woanders hin, weg von Hollywood hin zu Indien, weg von den gigantischen Kinopalästen hin zu einem kleinen Familienunternehmen, das kurz vor dem Aus steht.
In Mumbai steht es, „Alfred Talkies“ heißt es. Zumindest noch. Auch in Mumbai ist die Gentrifizierung nicht zu stoppen, um das kleine Kino herum hat sich viel getan. Und wenn es nach den Bauunternehmern ginge, wäre auch dieses Überbleibsel einer vergangenen Zeit längst weg, hätte modernen Anlagen Platz gemacht. Modern ist hier nichts. Nicht die Filme, nicht die Ausstattung. Und vor allem nicht die Werbung. Wo hierzulande die neuen Blockbuster durch Trailer auf riesigen Bildschirmen angepriesen werden, durch Hochglanzposter und große Namen, da nimmt man in Mumbai noch Plakate, selbst gemalt in einem kleinen Atelier hinter dem Kino.
Abwechselnd schauen Heinzen und Heinzen-Ziob dann auch an diesen beiden Orten vorbei, werfen einen Blick auf den Alltag im Kino und einen dahinter, auf die Männer, welche die Plakate malen. Das wird vielen hier etwas kurios erscheinen, kaum einer dürfte sich noch daran erinnern, dass so etwas früher tatsächlich mal üblich war. Interessant ist dieser Aspekt von Original Copy aber nicht nur, weil der Dokumentarfilm etwas Vergessenes aus der Mottenkiste ausgräbt. Etwas Komisches. Niemand macht sich hier über die Arbeit der Hintermänner lustig. Im Gegenteil: Mit viel Respekt begegnen die Regisseure dieser Tätigkeit, zeigen sie als eine eigene kleine Kunstform, in der es darum geht, die Essenz eines Films nur durch Bilder wiederzugeben. Ohne Worte. Auf einen Blick. Dazu gibt es reichlich Infos zum aktuellen Kinoprogramm. Heldengeschichten will das Publikum sehen, so wird erzählt. Sachen ohne großen Anspruch, ein bisschen formelhaft. Etwas zum Abschalten und Weltvergessen. Typische B-Movies eben, wie man sie heute eigentlich nur noch aus Videotheken kennt. Oder Mitternachtsfernsehen.
Der Blick auf ein Kino, das sich dem Niedergang entgegenstellt, ist aber nicht nur etwas komisch, etwas nostalgisch in seiner Flucht vor der Realität. Es ist auch bewegend. Denn natürlich darf es hier kräftig menscheln, wenn der Familienbetrieb nicht aus Profitgier weitermacht – dass in dem Bereich kein Geld mehr zu holen ist, das ist jedem klar –, sondern weil er daran glaubt. An die Kunst. Die Bedeutung von Unterhaltung. Und an Geister, die in dem Gebäude hausen und die Menschen schützen sollen. Ein bisschen Aberglaube, ein bisschen Träumen. Ein bisschen Geschäftssinn, ein bisschen Verantwortungsgefühl. Original Copy erzählt nicht einfach nur vom Kino, es lebt es. Nimmt uns durch umliegende Aufnahmen, durch Gespräche auch, mit in ein Indien, das vertraut und fremd ist.
Nein, hier wird niemand mehr die Welt verändern, aus dem Dokumentarfilm lässt sich nicht wirklich etwas herausziehen, was einen als Zuschauer weiterbringt. Aber für eine Weile darf man sich durch die Interviews mit den aus Leidenschaft handelnden Menschen, zumindest als Filmfan, irgendwie zu Hause fühlen, wenn für 90 Minuten eine Welt gerettet wird, die es eigentlich schon längst nicht mehr gibt.
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