(„Sleepless“ directed by Baran bo Odar, 2017)
Warum sich mit dem Gehalt eines einfachen Polizisten zufriedengeben, wenn es so viel lukrativere Möglichkeiten gibt? Drogen unterschlagen zum Beispiel. Genau das tut Vincent (Jamie Foxx), der sich als Hüter des Gesetzes eigentlich um die Verbrechensbekämpfung kümmern sollte, stattdessen aber gern mal die Hand aufhält. Bis eines Tages etwas darin landet, was er besser nicht angefasst hätte. Ausgerechnet eine Kokain-Ladung von Casino-Boss Stan Rubino (Dermot Mulroney) lassen er und sein nicht minder korrupte Kollege Sean (T.I.) mitgehen – was dieser nicht auf sich sitzen lassen will. Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass Rubino Vincents Sohn Thomas (Octavius J. Johnson) entführt, um seine Drogen herauszupressen, mischen bald auch der Drogenbaron Rob Novak (Scoot McNairy) und die Polizistin Jennifer Bryant (Michelle Monaghan) mit. Jeder mit dem Ziel, Vincent in die Finger zu bekommen.
Ob sie nun aus Belgien kommen (Loft – Tödliche Affären), Großbritannien (Mord im Orient-Express), Japan (Ring), Schweden (So finster die Nacht), Hongkong (Internal Affairs), Dänemark (Nightwatch), Mexiko (We Are What We Are) oder Frankreich (Der Swimmingpool), es dürfte kaum ein Land geben, das nicht schon einmal die Vorlage für ein Hollywood-Remake geliefert hat. Das muss man nicht gut finden, kann es sogar verachten. Meistens aber gibt es immerhin gute Gründe, einen Stoff neu zu verfilmen. Weil er besonders gut war, besonders erfolgreich, im Idealfall sogar beides.
So ganz nachzuvollziehen ist es daher nicht, warum man sich hier ausgerechnet für Sleepless Night – Nacht der Vergeltung entschied bzw. ihn auf diese Weise umgesetzt hat. Der französische Thriller war schon in der Heimat nicht gerade ein Kassenmagnet gewesen, international machte er auch nicht groß von sich reden. Er überzeugte aber durch seine Atmosphäre: Die Hetzjagd innerhalb einer Diskothek ließ kaum Luft zum Atmen, klaustrophobisch und nervenaufreibend. Davon ist hier nicht mehr viel zu spüren. Das liegt sicher auch an dem Wechsel des Schauplatzes: Nun ist es die Glitzerkulisse von Las Vegas, vor der sich alles abspielt. Alles soll hier ein bisschen schicker sein, größer, bombastischer. Das ist irgendwie nett, aber doch sehr konventionell, nichts, was man nicht schon Dutzende Male woanders gesehen hätte. Und das ist doch gerade für Regisseur Baran bo Odar recht enttäuschend, der zuletzt in Who Am I – Kein System ist sicher zeigte, dass auch Hacker-Thriller optisch etwas hermachen können.
Und auch inhaltlich beschränkt man sich doch sehr auf Bewährte. Dabei bringt Sleepless eigentlich eine sehr spannende Figurenkonstellation mit sich. Hier gibt es nicht nur den (Anti-)Helden und seinen Gegenspieler. Eigentlich macht hier jeder auf jeden Jagd: Polizisten verfolgen Polizisten, Verbrecher andere Verbrecher. Daraus hätte man einiges machen können. Tat es aber nicht. Die Figuren sind wandelnde Klischees, deren Schicksal einem egal ist. Vor allem zum Ende hin, wenn diverse Wendungen nicht zu Überraschungen, sondern zur Langeweile führen, auch das letzte bisschen Eigensinn geopfert wird.
Lobenswert ist es sicher, die Frau im Bunde aufzuwerten und zu einer ernstzunehmenden Gegnerin des testosterongeschwängerten Drogengeballers machen zu wollen. Richtig weit kommt der Film damit aber nicht, die kleinen feministischen Tupfer gehen im Kugelhagel unter. Das erfüllt seinen Zweck, wenn man mal wieder Dauerschießereien mitten in der Nacht sehen will. Mehr als das sollte aber niemand erwarten, das Remake ist ein austauschbarer Actionthriller mit mal ultrabrutalen, dann wieder ultradummen Figuren. Ein Film, den man schon vergessen hat, bevor der Abspann läuft.
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