Traction

(„Traction“ directed by Rory Uphold, 2015)

Sex, Politik und Religion: Diese drei Themen sollte man laut der Protagonistin Andy (Rory Uphold) beim ersten Date tunlichst vermeiden. Ihres mit Jake (Ahmed Bharoocha) läuft super, bis die Kellnerin (Jackie Singer) eine passende Vorlage liefert und sie sich einen entsprechenden Witz nicht verkneifen kann. Jake aber heißt die Gelegenheit willkommen, selbst ein paar scherzhafte Fragen zum Besten zu geben. Die Situation scheint gerettet, bis er die Pointe von „How do you know that Adam and Eve weren’t black?“ preisgibt und von der sensiblen Andy als Rassist abgestempelt wird.

Seit jeher, aber besonders in Zeiten der so genannten political correctness, haben Comedians und andere Künstler damit zu kämpfen, dass ihre eindeutig scherzhaft gemeinten Aussagen von einem wütenden Mob kritisiert werden. Das dürfe man nicht sagen, so was wäre ja diskriminierend und dafür sollte man ihn krankenhausreif prügeln oder direkt abstechen! Gewalt- oder gar Morddrohungen sind als Reaktion auf Witze leider gar nicht so selten. Leute mundtot zu machen scheint also absolut in Ordnung zu sein, sofern diese etwas gesagt haben, das einem selbst nicht passt – ansonsten ist es natürlich böse, zu verurteilende Zensur. Wie ernstzunehmend Drohungen in einem Internetshitstorm sind, steht auf einem anderen Blatt, aber man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, dass bei so genannten SJWs eine gewisse Schizophrenie herrscht.

Rassismus vs. Redefreiheit
Genau dieses widersprüchliche Verhalten thematisiert der nicht mal fünfminütige Kurzfilm Traction. Während Andy sich über Jakes angeblich rassistische Äußerungen echauffiert (der zweite Witz zielt ja nicht mal auf Schwarze ab, sondern auf Rassisten), ist sie es am Ende doch, die rassistisch handelt. Redefreiheit ist ein äußerst hohes Gut und man darf es sich nicht von Leuten nehmen lassen, denen nicht gefällt was man sagt und die nicht verstehen, was Humor ist. Immer öfter findet man auch das fälschlicherweise Voltaire zugeschriebene Zitat in den Profilen der Empörten: „Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.“ Damit lassen sich von den gleichgesinnten Freunden zwar massig Likes abgreifen, doch im Grunde wissen alle, dass der Nachsatz „solange es nichts ist, das mir nicht gefällt“ mitschwingt. Irgendwo muss man ja die Grenze ziehen.

Schnitt und Kameraführung sind okay, wobei gerade ersterer besser sein könnte. Die Schauspieler machen ihre Sache gut, obwohl die Auftritte der Kellnerin forciert wirken. Der erste dient nur dazu, die Handlung in Gang zu bringen, und der zweite ist beinahe überflüssig. Bei der kurzen Laufzeit kann man das aber leicht verzeihen.

Traction weist einige zu vernachlässigende technische Schwächen auf und konzentriert sich ganz auf seinen Inhalt. Das Ende wird zwar zu sehr mit dem Holzhammer präsentiert, aber auch das erscheint angemessen – schließlich besteht die Gefahr, dass die Leute, die diesen Film eigentlich sehen und verstehen müssten, ihn lediglich mit „aha, also sind alle Frauen Heuchler?!“ abtun, denn Sexismus ist immerhin noch ein roteres Tuch als Rassismus – da ist es dann auch egal, dass die Hauptdarstellerin selbst für Drehbuch und Regie verantwortlich war. Diese Gefahr besteht natürlich trotzdem weiterhin, aber für alle anderen ist der Film ein hervorragendes Plädoyer für die Redefreiheit und gegen Diskriminierung.



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Manches ist forciert, das Ende zu sehr mit dem Holzhammer. Dennoch ist der Kurzfilm "Traction" ein hervorragendes Plädoyer für die Redefreiheit und gegen Diskriminierung.
8
von 10