(„Ófærð“ directed by Óskar Thór Axelsson, Baldvin Zophoníasson, Baltasar Kormákur, Börkur Sigþórsson, 2015)
Bislang war Seyðisfjörður eigentlich ein sehr friedlicher Ort gewesen, der vom Fischfang lebte. Bis zu dem Tag, an dem sich alles änderte. Ein Toter wird gefunden. Ermordet. In viele Teile zerhackt. Wer könnte dieses abscheuliche Verbrechen begangen haben? Der Verdacht fällt gleich auf die Passagiere einer Fähre, die gerade angelegt hat. Vor allem auf einen: Hjörtur (Baltasar Breki Samper). Der hatte vor sieben Jahren durch ein Feuer seine Freundin Agnes getötet, was ihn für deren Vater Eiríkur (Þorsteinn Gunnarsson) zum eindeutigen Schuldigen des Mordes macht. Die ermittelnden Polizisten Andri (Ólafur Darri Ólafsson) und Hinrika (Ilmur Kristjánsdóttir) sind nicht ganz so überzeugt, da es Hinweise gibt, dass da noch etwas anderes auf der Fähre vor sich ging. Als dann noch ein zweiter Mord geschieht, ist eines zumindest klar: Der Mörder ist immer noch da, unter ihnen, während sie selbst aufgrund einer Lawine nicht weg können.
Eine Leiche, viele potenzielle Täter, dazu ein Schauplatz, der kein Entkommen lässt – das ist doch mal ein klassisches Krimiszenario, das sich Baltasar Kormákur (Everest) da ausgesucht hat. So hat Agatha Christie mit ähnlichen Situationen zwei ihrer bekanntesten Werke geschaffen: In „Und dann gab’s keines mehr“ waren wir mit dem unbekannten Mörder auf einer Insel gefangen, in dem Theaterstück „Die Mausefalle“ war es eine eingeschneite Pension. Hier also nun Island, wie der deutsche Untertitel Gefangen in Island unmissverständlich klar macht. Und gegangen sind sie hier alle: gefangen in Sturm und Schnee, gefangen in einem kleinen Dorf. Aber auch: gefangen in einem Island, das noch immer an den Nachwirkungen des Bankenkollapses leidet. Viele sind zudem in ihrer Vergangenheit gefangen, zumindest Eiríkur und Hjörtur haben nach der Tragödie um Agnes nie wieder ins Leben gefunden.
Mit dieser fängt die Serie dann auch an, wenn in einem Flashback sieben Jahre in die Vergangenheit gereist wird, bevor die eigentliche Geschichte beginnt. Sofern man überhaupt von einer eigentlichen Geschichte sprechen kann. Getreu der alten Krimiweisheit, dass der Unterhaltungsfaktor analog zu der Zahl falscher Fährten steigt, darf man sich hier von Anfang an kräftig in der Dunkelheit Islands verlaufen. Gleich mehrere Vorfälle und kriminelle Machenschaften geschehen gleichzeitig. Wie diese zusammenhängen, welche Figur zu welchem Handlungsstrang gehört, das lässt Trapped lange offen – wie es sich gehört.
Ein bisschen fühlt man sich dann auch als Zuschauer in der Zeit gefangen, so klassisch, so traditionell ist das hier alles aufgebaut – von den Figuren über den Ablauf bis hin zu den Motiven, die am Ende klar werden. Ein bisschen wird auch hier mehr am Dramateil geschraubt, als man es früher von Krimis gewohnt war. Broadchurch und viele andere Serien haben in den letzten Jahren gezeigt, dass eine Mördersuche und das Porträt einer abgründigen Provinzgemeinschaft gut zusammenpasst. Immerhin blieb man hier dafür glaubwürdig, zumindest in dem Rahmen des Genres. Wo man anderswo selbst nach der Auflösung nicht so ganz verstanden hat, warum sich wer wie verhalten hat, bleibt hier fast alles nachvollziehbar.
Was Trapped an Originalität und Modernitätswillen fehlt, das macht die Serie aber durch seine Atmosphäre mehr als wett. Dass sich Kormákur darauf versteht, eine eisige Umgebung gewinnbringend zum Spiegel der Figuren zu machen, das hat er kürzlich in Der Eid eindrucksvoll bewiesen. Wenn dann noch sein Landsmann Jóhann Jóhannsson, der zuletzt mit seinen Scores fürs die Dennis-Villeneuve-Filme Sicario und Arrival für Begeisterungsstürme gesorgt hat, die frostigen, so lebensfeindlichen Eislandschaften musikalisch unterfüttert, dann wird der Inhalt fast schon zur Nebensache. Es reicht mit dem Brummbären Andri durch den Schnee zu stapfen und in der Finsternis nach Spuren zu suchen, um sich hier einige wohlig-schaurige Rätselabende zu gestalten. Die finden übrigens ausnahmsweise auch mal ein Ende, das die Bezeichnung verdient, die teuerste isländische Serie aller Zeiten verzichtet auf billige Cliffhanger. Eine zweite Staffel soll dennoch nächstes Jahr folgen und noch mehr Murder Mysteries bieten. Wenn die so schick verpackt sind wie hier, dann ist dagegen trotz diverser Klischees nichts einzuwenden.
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