(„Borrowed Time“ directed by Andrew Coats and Lou Hamou-Lhadj, 2015)
Filmpreise sind ja immer eine schöne Gelegenheit, ein paar alte Bekannte wiederzusehen – sei es im Publikum, auf der Bühne oder der Leinwand. Siehe Pixar bei den Oscars 2017. Die fleißigen Animationskünstler waren nicht nur für den besten Animationsfilm des Jahres nominiert (Findet Dorie) und durften sich eine Auszeichnung für den besten animierten Kurzfilm des Jahres mitnehmen (Piper). Etwas versteckt war da noch ein drittes Werk der Amerikaner, das ebenfalls in der Kurzfilmkategorie mitmischte. Gewissermaßen zumindest.
Rund fünf Jahre haben Andrew Coats und Lou Hamou-Lhadj, die zuvor an Pixar-Filmen wie Alles steht Kopf, Arlo & Spot oder Merida – Legende der Highlands gearbeitet haben, in ihrer Freizeit an ihrem eigenen kleinen Werk gebastelt. Von einem Hobbyprojekt kann man hier jedoch allenfalls der kurzen Laufzeit wegen sprechen. Unter rein visuellen Gesichtspunkten steht Borrowed Time nämlich den großen Brüdern nicht wirklich nach. Der Detailreichtum ist hoch, die Animationen flüssig, wie so oft auch tummeln sich hier leicht stilisierte Figuren vor einem beeindruckend realistischen Hintergrund.
Wobei: Genaugenommen ist es nur eine Figur. Und von tummeln kann man auch nicht wirklich sprechen, vielmehr schlurft der in die Jahre gekommene Sheriff nur vor sich hin. Pixar ist ja dafür bekannt, dass sie immer die Brücke zwischen jungen und erwachsenen Zuschauern suchen. Hier nicht. Im krassen Gegenteil zum Niedlichkeitskönig Piper sind die rund sieben Minuten geprägt von düsteren Bildern, Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung und Bedauern. Bedauern über einen Unfall, der sich viele Jahre zuvor ereignet hat. Ein Unfall, über den der Protagonist offensichtlich nie wirklich hinweggekommen ist. Bis es fast zu spät ist.
Ganz klar: Coats und Hamou-Lhadj setzen hier auf die großen Gefühle. Dass sie dafür praktisch keine Worte brauchen, ist beeindruckend, ihnen reichen die die von dunklen farben geprägten Bilder – aktuelle wie Flashbacks – sowie ein schwerer Score von Gustavo Santaolalla (Brokeback Mountain). Ganz so bewegend wie angedacht ist das Ergebnis dann aber doch nicht. Das liegt zum einen daran, dass auch der Sprachlosigkeit wegen alles etwas plakativer ist, um dem Publikum die richtigen Gefühle mitzugeben. Zum anderen lässt die kurze Laufzeit keine echte Entwicklung der Figur zu. Warum sie erst so spät wieder an den Ort des Unglücks zurückkehrt, bleibt ebenso im Dunkel wie der Sinneswandel später. An diesen Stellen stößt der Kurzfilm dann doch an die Grenzen seines Formats. Sehenswert ist das kleine Westerndrama um einen lebensmüden Sheriff aber zweifelsfrei, ähnlich abgründig geht es im Animationsbereich nur selten zu, zumindest bei den eher auf ein größeres Publikum schielenden Vertretern.
(Anzeige)