(„Die Dasslers – Pioniere, Brüder und Rivalen“ directed by Philipp Stennert, Cyrill Boss, 2016)
Von klein auf war das Verhältnis der beiden Brüder Adi (Christian Friedel) und Rudi Dassler (Hanno Koffler) von einem bestimmt: Wettkampf. Egal, was sie taten, immer mussten sie sich und anderen beweisen, wer von ihnen der bessere ist. Erst im Erwachsenenalter finden die beiden etwas, für das es sich gemeinsam zu kämpfen lohnt: aus dem kleinen Schusterbetrieb der Familie ein großes Unternehmen machen. Und die zwei wissen auch schon, wie sie das anstellen wollen, Sportschuhe sollen in den 20ern ein neues Kapitel im Hause Dassler einleiten. Kleiner Anfangsschwierigkeiten zum Trotz geht der Plan tatsächlich auf, aus dem Familienbetrieb wird eine florierende Firma. Doch je größer der Erfolg wird, umso größer werden auch die Reibereien zwischen den Brüdern. Bis es zum Bruch kommt und das Unternehmen in zwei Teile aufgespalten wird: Adidas und Puma.
Derzeit ist mal wieder Konjunktur beim Erstellen von filmischen Firmenporträts: Nahezu gleichzeitig zum Kinostart von The Founder, das die Gründerjahre von McDonalds beleuchtet, erzählt uns Die Dasslers – Pioniere, Brüder und Rivalen, wie zwei der größten deutschen Unternehmen ihren Anfang nahmen: Adidas und Puma. Die Geschichte dahinter ist hierzulande sicher die bekanntere. Zum einen wegen des nationalen Bezuges, zum anderen weil sie letztes Jahr bei Duell der Brüder schon einmal Stoff für Eventfernsehen bot. Wer den Film gesehen hat, wird vieles hier natürlich schon wissen: Die Biografien sind dieselben, die offenen Fragen werden auch hier umgangen. Aber allein schon aufgrund des größeren Rahmens – drei Stunden statt zwei, die Nachkriegsjahre werden stärker beleuchtet – könnte ein zweiter Blick lohnenswert sein.
Viel Streit, viel Pathos
Die Klammer liefert hierfür das Verhältnis der beiden Brüder, das schwierig begann und später unmöglich wurde. Mit den letzten Jahren der zwei steigt Die Dasslers ein und zeigt, dass nicht einmal mehr der nahende Tod die zerstrittene Familie vereinen konnte. Wo in Hollywood-Schmachtfetzen auf den letzten Metern oft noch die tränenreiche Einsicht kommt, bleibt es hier beim Worst-Case-Szenario. Das soll nicht bedeuten, dass das Regie-Duo Philipp Stennert und Cyrill Boss, welches zusammen mit Christoph Silber (Banklady, Ich bin dann mal weg) auch am Drehbuch arbeitete, für Pathos nicht empfänglich wäre. Den gibt es. Sehr oft sogar. Große Reden und eine noch größere dramatische Musik sollen auch dem letzten klarmachen, was für eine ungemein große Geschichte hier doch erzählt wird.
Auf dieses typisch deutsche Fernsehen muss man sich schon einlassen können. Das bedeutet auch: glatt geleckte Bilder. Für einen Film, der in einem kleinen bayerischen Kaff in den 20ern spielt, ist das schon ein bisschen viel Hochglanz. Auch das Fehlen jeglicher regionaler sprachlichen Färbungen hilft nicht unbedingt dabei, ein Gefühl von Authentizität zu liefern. Diese Werbeästhetik steht jedoch in einem ziemlichen Kontrast zum Inhalt. Denn dort wird mit Schmutz gearbeitet, viel Schmutz. Ob es nun die Gleichgültigkeit beim Waffenbau während der Kriegsjahre ist, die Anfeindungen untereinander, die Tricks und unlauteren Mittel, mit denen sich die zwei Familienzweige später bekämpfen – Strahlemänner sind sie beide nicht.
Neben den Brüdern verblassen alle anderen Figuren
Und doch überstrahlen sie alles, was neben ihnen wandelt. Das darf man den beiden Hauptdarstellern Friedel (Amour Fou) und Koffler (Härte) zugutehalten. Oder auch dem Drehbuchteam vorwerfen, das mit dem Umfeld nicht wirklich etwas anfangen konnte. Die Ehefrauen Friedl (Hannah Herzsprung) und Kätze (Alina Levshin) beispielsweise bleiben völlig blass. Auch bei den Söhnen, die später ins Geschäft einsteigen, wird jegliche Charakterzeichnung dem Duell unterordnet. Nicht einmal Joachim Król als Vater und Christoph Maria Herbst als Reichssportminister hinterlassen hier einen bleibenden Eindruck. Wer Die Dasslers schauen möchte, um mehr über die Menschen zu erfahren, der ist nach drei Stunden genauso schlau wie vorher auch.
Interessant ist dafür, einen Blick hinter die Kulissen eines Sportgeschäftes zu erhaschen. Die kleinen Kniffe, mit denen sich die Brüder hocharbeiten, der argumentative Eiertanz beim Umgang mit dem Nationalsozialismus. Aber auch der Umgang mit Sportlern und das damit verbundene Marketing – mit Idealismus hat der Traum der zwei bald nichts mehr zu tun, sondern mit zynischer Optimierung. Das Handwerk, der olympische Geist, alles wird dem Erfolg geopfert. Wer angesichts der heute kaum mehr zu übersehenden Korruption, welche die gesamte Sportbranche durchzieht, von besseren, unschuldigeren Zeiten träumt, wird hier eines Schlechteren überzeugt. Am Ende ging es auch damals schon nur um Geld. Für Menschen ist dabei kein Platz, nicht einmal für die Dasslers selbst: Inzwischen sind Adidas und Puma internationale Konzerne, an denen die Familie keinen Anteil mehr haben.
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