Schneewittchen und die sieben Zwerge
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Schneewittchen und die sieben Zwerge

(„Snow White and the seven Dwarfs“ directed by David Hand, 1937)

Schneewittchen und die sieben ZwergeFür die Königin zählt nur eines im Leben: Schönheit. Ihre Schönheit. Wer es wagt, diese zu übertreffen, bekommt den Zorn der eifersüchtigen Monarchin zu spüren. Ihre Stieftochter Schneewittchen beispielsweise zwingt sie, abgeschirmt von der Welt in schäbigen Lumpen herumzulaufen, um ihr so keine Konkurrenz zu machen. Als ein magischer Spiegel verkündet, dass die junge Prinzessin dennoch ihre Stiefmutter übertrumpfen wird, gibt es nur eine Möglichkeit: Der Emporkömmling muss sterben! Der mit der Aufgabe betreute Jäger bringt es jedoch nicht übers Herz, das Mädchen zu ermorden. Stattdessen schickt er sie in die Wälder, wo Schneewittchen auf das Haus der sieben Zwerge stößt.

Disney und Animationsfilme – die Geschichte der beiden ist so eng miteinander verbunden, dass nicht wenige beide fast schon als Synonyme füreinander verwenden. Denn auch wenn die Konkurrenz heute natürlich gigantisch ist, mit Werken wie Zoomania zeigen die Pioniere, dass sie selbst in dem hart umkämpften Segment zu den größten gehören. Dabei war das anfänglich gar nicht so selbstverständlich. Bald 80 Jahre ist es her, dass Schneewittchen und die sieben Zwerge veröffentlicht wurde, der erste abendfüllende Animationsfilm von Disney. Damit waren die Amerikaner zwar nicht die ersten auf dem Markt, Künstler wie Lotte Reiniger (Die Abenteuer des Prinzen Achmed) waren ihnen zuvorgekommen. Doch keiner hatte ähnlich wie Disney damit den Massenmarkt erreicht. Eine Zeit lang war das Debüt der erfolgreichste Tonfilm überhaupt, inflationsbereinigt zählt das Märchen noch immer zu den größten Blockbustern aller Zeiten. Vor allem aber war es immens erfolgreich, inspirierte Kollegen wie Gullivers Reisen. Und auch sich selbst.

Ein Fest fürs Auge
Tatsächlich zeigen sich in Schneewittchen und die sieben Zwerge bereits Qualitäten und Elemente, die heute wie damals zu Disney dazugehören. Musik beispielsweise. Immer wieder stimmen Schneewittchen und die anderen Figuren Lieder an. Mal dienen sie der reinen Untermalung der Handlung, mal stehen sie im Mittelpunkt. Die Art hat sich natürlich stark geändert, die operettenhaften Gesänge wichen in späteren Musicals wie Die Schöne und das Biest Popnummern. Zumindest das von den Zwergen vorgetragene „Hey Ho“ war aber ein Ohrwurm, der selbst in einem stark veränderten musikalischen Umfeld nichts von seiner Hartnäckigkeit eingebüßt hat. Visuell ist der Film ohnehin ein Meisterwerk. Die immens teure Produktion, die Walt Disney fast Haus und Hof gekostet hätte und die für viele ein Zeichen von Verrücktheit war, verwöhnt das Auge mit geschmeidigen Animationen, Spielereien auf mehreren Ebenen, wunderbar ausgearbeiteten Hintergründen. Und natürlich mit einigen kuriosen Designs.

Humor war nämlich 1937 schon ein unverzichtbarer Bestandteil bei Disney. Lange hatte man das berühmte Märchen der Gebrüder Grimm sogar noch komischer umsetzen wollen – ein früher Entwurf sah beispielsweise eine fette Königin vor. Vieles davon blieb während der mehrjährigen Produktion zwar auf der Strecke. Ein wichtiger Punkt blieb aber: die Zwerge. Die waren im Original noch ohne Persönlichkeit und Namen. Hier haben sie beides. Wobei sich so mancher fragen wird, was denn zuerst kam. Heißt der Brummbär wegen seiner chronisch schlechten Laune so? Oder bedingte der Name den Charakter? Unsterblich sind sie so oder so, gemeinsam mit der Königinhexe sind sie aufgrund ihres stark stilisierten Aussehens in die Geschichtsbücher eingegangen.

Blasse Hauptfiguren aus einer anderen Zeit
Von dem namenlosen Prinzen und Schneewittchen lässt sich das weniger behaupten. Schon die seltsam detaillose optische Gestaltung lädt nicht unbedingt dazu ein, sich die beiden zu merken. Für eine Persönlichkeit hat es erst recht nicht gereicht. Anders etwa als Schneewittchens späte Nachkomminnen in Die Eiskönigin – Völlig unverfroren oder Vaiana ist die Prinzessin hier nicht mehr als die hübsch-naive Damsel in Distress. Das ist natürlich auch der damaligen Zeit bzw. dem damit verbundenen Frauenbild geschuldet, ist also weniger ein Versäumnis von Disney. Sonderlich interessant ist eine derart makel- und profillose Figur für heutige Augen aber natürlich nicht. Eigentlich ist sie sogar schrecklich langweilig. Doch auch wenn musikalisch und inhaltlich so manches hier dann doch veraltet ist, der Zeichentrickfilm macht noch immer Spaß. Hier wechseln sich komische und spannende Elemente ab – der Ausflug in die Wälder könnte auch aus einem Horrorfilm stammen –, die an und für sich sehr dünne Geschichte und die zwischendurch stockende Handlung werden durch die Charaktere mehr als ausgeglichen. Historisch interessierte sollten den Film ohnehin zumindest mal gesehen haben. Denn ähnlich einflussreich wie Schneewittchen und die sieben Zwerge war kaum ein Film, egal ob nun real oder animiert.



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Musikalisch ist „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ natürlich altmodisch, das Frauenbild ist es auch. Das große Zeichentrickdebüt von Walt Disney macht aber immer noch Spaß, zeichnete mit seinen kuriosen Nebenfiguren und der Mischung aus Humor und Spannung eine noch immer wundervoll anzusehende Blaupause, an der sich die Animationsnachkommen bis heute orientieren.
8
von 10