(„Toro“ directed by Martin Hawie, 2015)
Der Pole Toro (Paul Wollin) und der Spanier Victor (Miguel Dagger) haben eine Menge gemeinsam. Nicht nur, dass sie beste Freunde sind, sie sind außerdem vor vielen Jahren nach Deutschland gezogen, um dort ihr Glück zu suchen. Gefunden haben sie es jedoch nicht. Ein trostloses Leben führen die beiden, als Callboys kommen sie mehr schlecht als recht über die Runden. Während Toro sich einsamer älterer Frauen annimmt, deckt Victor die männliche Kundschaft ab. Doch die beiden haben einen Traum: Toro will zurück in sein Heimatland, um dort einen Boxclub zu eröffnen, und hat beschlossen, seinen Freund mitzunehmen. Immer wieder funken ihm dabei aber Leute dazwischen. Victors Schwester Emilia (Leni Speidel) beispielsweise, die eines Tages vor der Tür steht. Und dann wären da noch die Gangster, denen Junkie Victor eine Menge Geld schuldet.
Köln, die Stadt der närrischen Freude? Der gut gelaunten Offenherzigkeit? Nein, davon ist in Toro nichts zu spüren. Einen ausgesprochen düsteren Film hat Regisseur und Drehbuchautor Martin Hawie da abgedreht. Ein Film, der in die Abgründe der lokalen Stricherszene absteigt, eine gefühlskalte Parallelgesellschaft, aber auch in die Abgründe der menschlichen Seele. Jeder, der hier durchs Bild huscht, hat mit Problemen zu kämpfen, mit nicht erfüllten Träumen. Mit Einsamkeit. Ein besseres Leben hatten die beiden Freunde haben wollen, als sie nach Deutschland kamen. Jetzt wollen sie nur noch weg, ausgespuckt und vergessen. Zwei Menschen, die dazu da sind, die anonymen Bedürfnisse von Fremden zu erfüllen, bevor sie wieder in den dunklen Straßen verschwinden.
Trostlose Bilder ohne jede Farbe
Passend dazu wurde der gesamte Film in Schwarz-Weiß gedreht. So wie jede Freude aus dem Leben gewichen ist, so sind auch sämtliche Farben verschwunden. Und die Musik gleich mit: Zum Ende hin wird zwar doch noch mit einem Score gearbeitet, davor gibt es aber lange Zeit nichts zu hören. Bis auf das gespielte Stöhnen beim Einsatz. Das dumpf-rhythmische Geräusch, wenn Toro mal wieder seinen Boxsack bearbeitet. Manchmal sprechen auch die beiden Freunde miteinander. Aber nicht so oft. Vor allem nicht über die wichtigen Themen: Victors Drogensucht. Toros angedeutete, aber nie zugelassene Gefühle für seinen Freund.
Das ist zumindest eine Weile recht eindrucksvoll, Toro lebt wie andere deutschsprachige Filme der letzten Zeit (Chrieg, Tiger Girl) von der Physis und der (unterdrückten) Energie der jungen Protagonisten. Gerade die Titelfigur ist nicht unbedingt ein Feingeist, die Leinwand scheint dafür aber immer kurz vor einer Explosion zu stehen, wenn er sich durchs Bild wuchtet. So sehr, dass sich eine seiner Kundinnen beschwert, er würde sich beim harten Sex gar nicht auf sie einlassen. Letztere sind in dem Drama auch überraschend tonangebend, während der muskelbepackte Boxer zwar als Schläger auftritt, am Ende aber doch auch oft machtlos ist. Einer, der sich nach einem anderen Leben sehnt, ohne sich genau bewusst zu sein, was in ihm und anderen vor sich geht.
Eine Geschichte mit (zu) vielen Ideen
Dem Zuschauer geht es da ganz ähnlich. Das liegt jetzt aber weniger an der Leistung der Darsteller als vielmehr daran, dass der gebürtige Peruaner Hawie ein bisschen zu viel in Toro packen wollte. Was als Porträt der Kölner Stricherszene beginnt und dabei Interessantes über desillusionierte Einwanderer erzählen könnte, verläuft sich mit der Zeit in zu vielen Richtungen. Das Thema der nicht eingestandenen Homosexualität zum Beispiel wird zwischendurch zwar aufgebracht, die meiste Zeit über aber ignoriert. Die Drogenproblematik von Victor scheint wiederum nur da zu sein, um später für ein dramatisches Finale sorgen zu können. Und dann wären da noch Victors Schwester und Toros Boxschüler Benoît, die irgendwie nie wirklich in den Film finden. Man hätte sie auch rausstreichen können, ohne dass dies wirklich etwas geändert hätte – was seltsam ist, da sich beide für den schwulen Subplot durchaus anbieten würden. Diese Vernachlässigungen sind gerade zum Schluss sehr bedauerlich, wenn die anfangs eher dokumentarisch anmutende Herangehensweise für ein überhastet erzähltes und überzogenes Drama aufgegeben wird. Ein bisschen hilflos lässt einen der Film dann auch zurück. Hilflos, weil wir hier mitansehen mussten, wie sich Menschen alles kaputt machen. Aber eben auch hilflos, weil nie ganz klar wird, was Toro da eigentlich erzählen wollte.
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