(„Non Essere Cattivo“ directed by Claudio Caligari, 2015)
Seit ihrer Kindheit sind Vittorio (Alessandro Borghi) und Cesare (Luca Marinelli) enge Freunde. Gemeinsam gehen sie durch dick und dünn. Gemeinsam konsumieren sie Drogen. Gemeinsam rauben sie kleine Läden aus. Als Vittorio eines Tages im Drogenrausch jedoch furchteinflößende Visionen bekommt, beschließt er seinem Verbrecherdasein ein Ende zu setzen und mit Linda (Roberta Mattei) ein neues Leben zu beginne. Der Erfolg hält sich zunächst in Grenzen, da Cesare zwar ebenfalls große Träume hat. Aber auch eine große kriminelle Energie, die das Glück aller Beteiligten regelmäßig in Gefahr bringt.
Von wegen Bella Italia. Allzu oft bekommen wir unsere südeuropäischen Freunde ja nicht mehr auf der großen Leinwand zu sehen. Und wenn doch, dann in einer Fassung, die nicht unbedingt Lust darauf macht, dem deutschen Lieblingsurlaubsziel noch einen Besuch abzustatten. Erst zeigte uns Suburra eine durch und durch korrupte Gesellschaft, in der jeder gegen jeden kämpft bei der Gier nach Reichtum und Macht. Nun zeigt uns Tu nichts Böses die düsteren Seiten eines römischen Vororts, der von Gewalt, Drogen und Perspektivlosigkeit geprägt ist.
Alltagssorgen statt Luxusprobleme
Trotz ähnlicher Themen und Alessandro Borghi, der in beiden Filmen eine Hauptrolle spielt, so ganz vergleichbar sind die zwei Werke dann doch nicht. Zum einen fehlt es Tu nichts Böses an Glamour. Hier gibt es keine Luxushotelsuiten, teure Autos oder protzige Villen. Wo bei den Mafiakriegen das Verbrechen ein Mittel zum Zweck ist, ein möglichst luxuriöses, repräsentatives Leben zu führen, sind die zwei pseudostarken, aber innerlich in Wahrheit verzweifelten jungen Männer schon froh, auch nur irgendwie über die Runden zu kommen. Cesare beispielsweise hat sich für seinen Neuanfang mit Viviana (Silvia D’Amico) eine alte Ruine ausgesucht, die er wiederherrichten will. Wozu ihm aber die Mittel fehlen. Die Geduld. Und das Talent.
Hoffnung? Nein, die scheint hier schon lange keiner mehr wirklich zu haben. In einer der bittersten Szenen muss sich Vittorio anhören, dass ohnehin die Hälfte der Menschen hier von Drogen lebt, weil andere Perspektiven fehlen. Und auch sein Ziehsohn liebäugelt mit dem Gedanken, eine Verbrecherbahn einzuschlagen, das das Geld hinten und vorne nicht reicht. Der Kreis schließt sich, ein Ausbruch daraus scheint unmöglich. Mit viel Sympathie begleitet Tu nichts Böses dann auch den Versuch, es trotzdem zu schaffen. Jeder kleine Schritt von Vittorio lässt einen hoffen, jeder Auftritt von Cesare bangen. Denn dass der einen tatsächlichen Neustart hinbekommen wird, daran glaubt niemand. Nicht einmal er selbst. Der italienische Film ist daher nicht nur ein Drama über junge Menschen, die einen Ausweg aus der Ausweglosigkeit suchen. Es ist auch ein Drama über eine Freundschaft am Scheideweg. Über die bittere Erkenntnis, dass ausgerechnet die Leute, die dir am wichtigsten sind, deine größten Feinde sein können.
Nüchtern, hässlich, fordernd
Es ist aber nicht nur die persönliche Note, welche Tu nichts Böses von seinem Drogenkompagnon unterscheidet. Auch beim Ton ging man andere Wege. Regisseur Claudio Caligari, der hier seinen vierten Spielfilm abdrehte, bevor er mit 67 Jahren verstarb, verzichtete auf große Actionszenen oder schrille Drogenmomente. Mit Dokumentarfilmen begann der Italiener seinerzeit seine Laufbahn, wie ein Dokumentarfilm mutet auch sein Abschiedswerk oft an. An einer Stelle bekommen wir einen kleinen Einblick in den Drogenrausch von Vittorio. Ansonsten macht die Kamera aber meistens davor schon Halt. Wir sehen nicht, was in dem Bewusstsein des jungen Mannes vor sich geht. Nur die Hülle. Eine Hülle, die entsetzt ins Leere starrt. Dieser sehr nüchterne Zugang, der auch kaum Musik vorsieht, macht das Drama schon zu einem kleinen Geduldspiel. Zu einem hässlichen Geduldspiel. Aber eines, das es sich auszuhalten lohnt: Spannung entsteht bei diesem etwas Drogenfilm nicht durch Ekstase oder brutale Schusswechsel. Die Spannung besteht darin, ob es den Menschen in dem Randbezirk, den nicht einmal die Polizei mehr interessiert, gelingen wird, den Umständen zu trotzen. Den Kreis zu verlassen, der sie alle eingeschlossen hat.
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