(„Blame!“ directed by Shintaro Inokawa, 2003)
Wer schon in den 90ern bzw. frühen 00er Jahren Mangas gelesen hat und auch nur im entferntesten etwas für Science-Fiction übrig hatte, für den führte eigentlich kein Weg an Tsutomu Niheis „Blame!“ vorbei. Und schon damals dürften sich viele gewünscht haben, dass der Ausflug in eine düstere, von Technologie bestimmte Zukunft auch eine Umsetzung in animierter Form findet. Denn auch wenn der Inhalt zuweilen etwas spärlich war, die fremdartigen Designs des ehemaligen Architekturstudenten bettelten geradezu darum, noch einmal größter gezeigt zu werden.
2003 war es dann auch tatsächlich so weit. Gewissermaßen. Der Euphorie darüber, dass eine Anime-Version der Dystopie entsteht, wich schnell der Enttäuschung, als die Rahmenbedingungen klar wurden: Eine Serie aus sechs Episoden, von denen jede nur rund sechs Minuten lang ist, würde das reichen? Die Frage musste man ganz klar verneinen. Wobei es in erster Linie der Inhalt ist, der hier zum Kritikpunkt wurde. Es ist noch nicht einmal so, dass Blame! keine Geschichte hätte. Die gibt es. Sie wird hier jedoch nicht erzählt. In erster Linie besteht die Serie aus Standbildern, die dem Manga entnommen worden sind. So als hätte man ein Storyboard vor sich, aus dem später mal ein Anime hätte werden sollen.
Kaum Action, kaum Dialoge, dafür eine Menge Atmosphäre
Die Actionszenen, die im Original durchaus noch vorhanden waren, wurden fast vollständig ausgemerzt. Die seinerzeit noch spärlichen Dialoge verlieren sich in den Weiten der menschenlosen Dystopie fast vollständig. Wer bei der Nennung von Sci-Fi-Anime an Werke wie Akira denkt und die Erwartungen in diese Richtung schiebt, wird deshalb eher weniger Freude haben. Blame! ist kein narratives Werk, eher ein Teaser für ein solches.
Und doch ist der Mini durchaus sehenswert. Zwar hat es das Animationsstudio Group TAC (Night on the Galactic Railroad, Black Blood Brothers) nicht zu 100 Prozent geschafft, die majestätische Zukunftshölle der Druckversion wiederzugeben. Aber auch in der abgespeckten Version wohnt den Bildern ein alptraumhafter, surrealer Zauber inne, der durch die unheimliche Musik noch weiter verstärkt wird. An manchen Stellen werden sogar Erinnerungen an den Kultfilm Angel’s Egg wach, was ja nie die verkehrteste Referenz ist. Dessen Klasse wird sicher nicht erreicht, dafür hält sich die Abwechslung doch zu sehr in Grenzen. Aber für einen kurzen Ausflug reicht es: Blame! macht Lust auf mehr. Und es wird spannend sein zu sehen, wie sich die demnächst erscheinende Netflix-Variante im Vergleich schlagen wird.
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