(„Cutie Honey: Tears“ directed by Asai Takeshi, 2016)
Im Japan des 21. Jahrhunderts ist die Gesellschaft in zwei Teile zerfallen: Wer es sich leisten kann, lebt hoch oben in luxuriösen Wolkenkratzern. Der Rest muss sich mit Slums begnügen, mit bitterer Armut, mit der grassierenden Umweltverschmutzung. Nicht ganz unschuldig daran ist ein mächtiges Unternehmen, welche im Hintergrund die Fäden zieht und ganz gut mit der Situation leben kann. Hitomi Kisaragi (Mariya Nishiuchi), ein weiblicher Android mit menschlichen Gefühlen und Superkräften, schließt sich dem Journalisten Hayami (Takahiro Miura) und seiner kleinen Widerstandsgruppe an, um dem dreckigen Treiben dann eben notfalls mit Gewalt ein Ende zu setzen und den Ausstoß einer giftigen Wolke zu verhindern. Doch dabei bekommen sie es mit Jill (Nicole Ishida) zu tun, die ebenfalls ein Android ist und jede Skrupel abgelegt hat.
Wer sich für frühe Science-Fiction-Mangas und -Animes interessiert, der kommt um Go Nagai nicht herum.1945 unter dem Namen Kiyoshi Nagai geboren, veröffentlichte er eine Reihe von Klassikern wie etwa Goldorak – Kampf der Welten, Mazinger Z oder Devilman und gehörte in den 70ern neben Leiji Matsumoto zu den Großen seines Faches. Eines seiner umstritteneren Werke war dabei Cutie Honey, das 1973 in gedruckter wie animierter Form an den Start ging und neben reichlich Action auch viel nackte Haut enthielt – die Titelfigur war während ihrer Verwandlungen immer eine Zeit lang unbekleidet. Dabei war der Anime, bei dem immerhin Tomoharu Katsumata (Captain Future, Arcadia of My Youth) Regie führte, noch vergleichsweise harmlos, reduzierte beispielsweise die gezeigte Gewalt.
Stilbewusstsein statt nackter Gewalt
Mehr als 40 Jahre und eine Reihe weiterer Adaptionen später haben sich die Sehgewohnheiten ohnehin geändert, mit ein bisschen Blut und entblößter Haut allein kann man heute niemanden mehr schocken. Cutie Honey: Tears, der zweite Realfilm fürs Kino, verzichtet dann auch darauf, an dieser Stelle zu punkten. Das soll nicht heißen, dass es hier nicht auch mal kräftig zur Sache gehen kann. Da wird eine Menge durch die Gegend geballert, alternativ auch mal gerannt. Doch das wurde stärker in eine futuristische Hülle verpackt, in den Auseinandersetzungen der Zukunft geht es ungemein stilbewusst zu. Da macht man sich beim Kampf nur ungern die Hände schmutzig. Oder auch andere Körperteile.
Das kann es visuell natürlich nicht so ganz mit dem zeitgleich produzierten US-Ausflug Ghost in the Shell aufnehmen, dafür sind die Budgets dann doch auf viel zu unterschiedlichen Leveln. Dennoch kann sich Cutie Honey: Tears gut sehen lassen: Ob es das schicke Unternehmen ist, wo der zu erwartende Showdown auf die Androidin und die Zuschauer wartet, oder auch die ebenerdigen Slums, die trotz aller Armut von Technik durchzogen sind – das Auge wird mit diversen stimmungsvollen Locations verwöhnt. Dazu kommt ein dynamisches Kameraspiel, welches selbst dann in Bewegung ist, wenn es das gar nicht gebraucht hätte. Die Musik besteht aus typischen Sci-Fi-Sphären-Klängen, welche zum Geschehen passen, aber nicht übermäßig hervorstechen.
Eine typische Dystopie ohne wenn und aber
Ohnehin: Hervorstechende Momente sind in dem Film rar gesät. Alles hier ist auf einem sehr ordentlichen Niveau, tut genau das, was es soll – aber eben auch nicht mehr. Vor allem bei der Geschichte riss man sich nicht gerade ein Bein aus. Böse allmächtige Firmen, die nur eine kleine Schar von Rebellen noch aufhalten kann, das gehört im dystopischen Umfeld zu den Standardsituationen. Und davon weicht Regisseur Asai Takeshi, der bislang in erster Linie Kurzfilme drehte, auch nur ungern ab. Gesellschaftskritische oder existenzialphilosophische Überlegungen – in diesem Bereich oft gesehene Gäste – lassen sich hier nirgends blicken, wirkliche Überraschungen auch nicht. Immerhin, der Grundstein für weitere Abenteuer ist gelegt, das Ende legt solche zumindest nahe. Und bis es so weit ist, darf man sich von der Zukunftsaction die Zeit vertreiben lassen. Wer diese übrigens auf einer großen Leinwand sehen will und bei Hamburg wohnt, könnte dies im Rahmen des 18. Japan-Filmfests Hamburg tun, wo die Mangaverfilmung läuft.
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