(„Les Demoiselles de Rochefort“ directed by Jacques Demy, 1967)
Rochefort ist eine süße kleine Stadt, nicht weit vom Meer entfernt, in der es sich gut aushalten lässt. Die große Aufregung lässt sich dort aber nicht finden. Und wohl auch nicht die große Liebe. Doch genau davon träumen die beiden Zwillingsschwestern Delphine (Catherine Deneuve) und Solange (Françoise Dorleac). Und davon, mit ihrer Musik bzw. als Tänzerin in Paris Karriere zu machen. Auch ihre Mutter Yvonne (Danielle Darrieux) würde sich gerne mal wieder verlieben, da sie noch immer einer Beziehung nachtrauert, die sie unnötig beendet hat. Maxence (Jacques Perrin) wiederum weiß schon, wen er zur Frau haben will: Die Frau, die er auf seinem Bild verewigt hat. Nur hat er keine Ahnung, wer sie sein könnte. Und dann wären da noch die zwei reisenden Schausteller Etienne (George Chakiris) und Bill (Grover Dale), die den schönen Reizen einer Frau ebenfalls nicht abgeneigt wären.
Auch wenn wir Musicals meistens mit Hollywood in Verbindung bringen, ein paar größere Versuche gab es natürlich ebenso in Europa. In Frankreich war es vor allem der Regisseur und Drehbuchautor Jacques Demy, der seine Filme gern ein bisschen schwungvoller und pompöser mochte. Und er war offensichtlich nicht der einzige: Nachdem schon Die Regenschirme von Cherboug 1964 zu einem vollen Erfolg wurde, schuf er vier Jahre später mit Die Mädchen von Rochefort ein zweites Musical, das für viele als Klassiker gilt und unter anderem in La La Land zitiert wird. Wie schon beim letzten Mal war Catherine Deneuve mit von der singenden Partie, hinzu kamen eine Reihe weiterer großer Namen. Lustig war beispielsweise die Idee, Deplhines Schwester Solange mit Deneuves realer Schwester Françoise Dorleac zu besetzen. Michel Piccoli (Es lebe das Leben) und Gene Kelly (Singin‘ in the Rain) übernahmen zudem kleinere Rollen.
Viele Personen, wenig Persönlichkeit
Aber auch die großen Namen können kaum verdecken, dass die übernommenen Figuren ausgesprochen nichtssagend sind. Wären da beispielsweise nicht die unterschiedlichen Haarfarben der Garnier-Schwestern, man würde sich kaum merken können, wer hier wer sein soll. Gleiches gilt für die Schausteller, die nur im Doppelpack auftreten, weswegen Demy es wohl nicht für nötig hielt, ihnen auch etwas Persönlichkeit mit auf den Weg zu geben. Die Mutter der Mädchen fällt wiederum nur dadurch auf, dass sie etwas kuriose Anforderungen an die Männer stellt – da bedeutet ein ungünstiger Name schon mal das Liebesaus.
Ganz ernst gemeint ist das natürlich nicht, so wie hier alles mit offensichtlichem Augenzwinkern präsentiert wird. Wie oft hört man schon Leute, die fröhliche Lieder darüber trällern, dass ein Frauenmörder sein Unwesen treibt? Solche Diskrepanzen sind in Die Mädchen von Rochefort keine Seltenheit: Da werden Banalitäten zu ganz großen Geschichten aufgebauscht. Stellen, die aber tatsächlich nach Vertiefung schreien, werden ignoriert. Das kann man natürlich lustig finden, wie hier nonchalant über jegliches Realitätsempfinden hinweggetanzt wird. Oder auch reichlich albern. Irgendwie schafft das Musical das seltene Kunststück, unnötig komplex zu sein und zu viele Figuren auf einmal unterbringen zu wollen, gleichzeitig aber keinen wirklichen Inhalt zu bieten.
Hübsche und kontrastreiche Verpackung
Immerhin: So nichtssagend die Suche nach dem Glück hier auch ist, Die Mädchen von Rochefort sieht dabei sehr gut aus. Vor dem Hintergrund der reizenden Hafenstadt spielt Demy so ausgelassen und lustvoll mit Farben sowie Hintergründen, als wäre er in einem Studio unterwegs und nicht in einer realen Stadt. Das unterstreicht das durch den Inhalt vorgegebene unwirkliche Ambiente noch weiter. Die Art und Weise, wie hier Kostüme und Kulissen korrespondieren, teilweise auch mit der Kamera herumgewirbelt wird, das ist schon sehenswert, lädt auch 50 Jahre später noch dazu ein, für zwei Stunden in den Westen Frankreichs zu reisen und das Hier und Jetzt zu vergessen. Zudem lockt der seinerzeit für einen Oscar nominierte Score und mal mehr oder weniger gefällige Lieder, die etwas unter den unterschiedlichen Gesangsqualitäten leiden. Sobald der Abspann über den Bildschirm fährt, wird man von dieser hübschen Bonbonpackung aber genug gesehen und zu wenig zurückbehalten haben.
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