(„The Pirates! Band of Misfits” directed by Peter Lord, Jeff Newitt, 2012)
Eigentlich hat der Piratenkapitän ja alles, was sein dunkles Herz verlangt: eine ihm treu ergebene Mannschaft, ein altehrwürdiges Schiff und ihr Maskottchen, den Papagei Polly. Eine Sache fehlt ihm aber zu seinem Glück, die Auszeichnung zum „Pirat des Jahres“. Doch aufgeben gilt nicht: Nachdem er die Jahre zuvor so kläglich versagt hat, muss es dann jetzt doch endlich mal klappen. Am mangelnden Einsatz liegt es nicht, dass er und seine Crew auf keinen grünen Zweig kommen. Aber welches Schiff sie auch immer angreifen, nie ist irgendetwas Wertvolles darauf zu finden. Als ihr letzter Versuch sie zu dem Wissenschaftler Charles Darwin führt, wollen sie schon das Handtuch werfen. Und ihn über Bord. Doch dann faselt der seltsame Mann etwas davon, dass Polly überhaupt kein Papagei sei, sondern ein Dodo, von dem jeder dachte, er wäre bereits ausgestorben. Und damit ließe sich doch bestimmt auch bare Münze verdienen.
Schuster bleib bei deinen Leisten. Zweimal hatte sich Aardman Animations an der kommerziell vorherrschenden Form der CGI-Animation versucht, zweimal waren sie daran gescheitert: Sowohl Flutsch und weg wie auch Arthur Weihnachtsmann enttäuschten trotz des gewaltig gestiegenen Budgets an den Kinokassen. Und das obwohl zumindest der zweite Film qualitativ durchaus mit den Werken der großen Konkurrenten aus den USA mithalten konnte. Glücklicherweise besannen sich die Briten aber ihrer eigentlichen Stärken und arbeiteten parallel zum Weihnachtsfilm an einem Stop-Motion-Abenteuer, das in der Tradition der hauseigenen Klassiker stand. Und dieses Mal führte sogar Peter Lord Regie – das erste Mal seit Chicken Run, mit dem Aardman zwölf Jahre zuvor ihr Leinwanddebüt gaben.
Gekonnte Veralberung alter Piratenfilme
Mit diesem oder auch dem zwischenzeitlich erschienenen Wallace & Gromit – Auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen konnte es der Ausflug auf die Sieben Weltmeere jedoch nicht aufnehmen. Dabei macht Aardman hier eigentlich das, was sie schon immer getan haben. Hatten sie in den vorangegangenen Filmen erst das Prison-Break- und anschließend das Horrorgenre aufs Korn genommen, machen sie sich nun ausgiebig über alte Piratenfilme lustig. Das fängt schon bei den Namen an: Jeder Pirat wird nach seiner Funktion oder einer Auffälligkeit benannt. Nach einem Schal etwa oder der weißen Haut. Das einzige Crewmitglied, dem ein echter Name vergönnt ist, ist ausgerechnet Polly. Und auch hier veralbert Die Piraten! die bekannten Vorlagen: Hinter dem Vogel mit dem typischsten Papageiennamen überhaupt verbirgt sich gar kein Papagei, was die chronisch unfähige Bande aber nicht sieht.
Nette Einfälle hatte Gideon Defoe, der das zugrundeliegende Buch „Piraten! Ein Affentheater auf hoher See“ wie auch das Drehbuch geschrieben hatte, insgesamt einige. Zusammen mit dem typischen Auge fürs Detail, wofür Aardman bekannt ist, hörte sich das eigentlich nach einer perfekten Kombo an. Das Ergebnis ist insgesamt dann aber doch nicht so witzig, wie man es sich vorher vorgestellt oder gewünscht hatte. Während der Einstieg noch sehr stimmungsvoll ist und schöne kleine visuelle Gags bereit hält, flacht der Film ausgerechnet im Mittelteil ab, wenn die eigentliche Geschichte beginnt. Natürlich wird man auch im Anschluss noch des Öfteren lachen, der britische Humor ist gerade im Original noch vorhanden. Insgesamt verlässt sich der Film aber schon sehr auf albernen Slapstick, der stärker auf eine jüngere Zielgruppe abzielt, als es die ersten Aardman-Produktionen taten.
Imposantes Zusammenspiel von neu und alt
Dafür ist Die Piraten! visuell natürlich wieder ein einziges Wunderland. Überall gibt es etwas zu entdecken, die Welt der Schatzsucher ist voller kurioser Figuren. Vor allem die Actionszenen sind wieder so imposant geworden, dass man zuweilen ganz vergisst, dass hier mit Knetmassemännchen hantiert wird. Zwischendurch gibt es zwar ein bisschen viel Computereinsatz, etwa bei der Gestaltung des Meeres. Insgesamt funktioniert das Zusammenspiel alter und neuer Techniken aber sehr gut und macht den Film zumindest optisch zu einem Höhepunkt. Insofern ist es schade, dass Sony Pictures Animation nach den ordentlichen, aber nicht überragenden Einspielergebnissen die Zusammenarbeit beendete. Bücher hätte es noch mehr gegeben, es gab sogar schon Pläne für eine Fortsetzung. Doch diese sind dann zum Leidwesen der Zuschauer mit Mann und Dodo versunken, das Potenzial des Szenarios blieb so ungenutzt.
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