Die Reise mit Vater
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Die Reise mit Vater

(„Die Reise mit Vater“ directed by Anca Miruna Lazarescu, 2016)

Die Reise mit Vater DVD
„Die Reise mit Vater“ erscheint am 19. Mai 2017 auf DVD

Die Familie Reinholtz hat es nicht einfach. Als wäre das Leben unter der sozialistischen Obrigkeit nicht auch so schon schwierig genug, die Rumänien 1968 mit eiserner Hand regiert, muss sie auch den Tod der Mutter beklagen. Und so liegt es an Mihai (Alex Margineanu), die Familie noch zusammenzuhalten. Seinen Vater William (Ovidiu Schumacher), der jeglichen Lebensmut verloren hat und zudem schwer krank ist. Der jüngere Bruder Emil (Razvan Enciu), der offen gegen das System rebelliert. Gemeinsam machen sie sich eines Tages auf nach Dresden, der einzige Ort im Osten, der William noch operieren könnte. Doch kaum in Deutschland müssen sie feststellen, dass die Russen brutal gegen den Aufstand der Tschechoslowakei vorgeht und eine Weiterfahrt erst einmal unmöglich ist.

Zum 50. Mal jährt sich 2018 der Prager Frühling: jener Versuch der Tschechoslowakei, liberaler und demokratischer zu werden. Jener Versuch, der blutig von den Russen zusammengeschlagen wurde und damit zur Warnung an die anderen Mitgliedsstaaten des Ostblockes wurde. Diese gescheiterten Bestrebungen, sich zu öffnen, schwingen immer wieder mit in Die Reise mit Vater. Mal werden sie offen angesprochen, mal sind es reine Parallelereignisse, die denselben Geist in sich tragen – auch für Familie Reinholtz geht es darum, wie sie sich in dem kommunistischen System wiederfinden wollen oder können.

Eine persönliche Geschichte mit politischem Hintergrund
Das Politische mit dem Persönlichen verbinden, das ist dann auch das Ziel von Die Reise mit Vater. Und dabei kann Anca Miruna Lazarescu aus dem Vollen schöpfen: Die Regisseurin und Drehbuchautorin, welche hier ihr Spielfilmdebüt gibt, hat dieses ihrem eigenen Vater gewidmet. Denn auf dessen Geschichte basiert der historische Roadtrip. Teilweise macht sich das bemerkbar, etwa in den vielen Details, welche die gebürtige Rumänin hier hineingepackt hat. In den kleinen Anekdoten, die das Trio im Laufe des Films so erlebt. Während diese das Geschehen sehr lebendig machen, hapert es jedoch etwas bei der Figurenzeichnung. Über ihre Funktion hinaus hat die Filmemacherin ihnen nicht so wahnsinnig viel mitgegeben. Und das ist gerade bei einer derart persönlichen Geschichte eine verpasste Chance.

Und doch ist es sehenswert, was sie hier insgesamt abgeliefert hat. Im Grunde im Dramabereich angesiedelt, gibt es immer wieder amüsante Szenen. Da wären beispielsweise die Versuche von Familie Reinholtz, den Einschränkungen des Systems mit absurden Notlügen oder auch etwas Schmiermittel – ein Dutzend Cognac-Flaschen – zu umgehen. Dann bekommt auch die naive Linke im Westen, personifiziert durch Ulrike (Susanne Bormann), hier ihr Fett weg. Aber auch auf der anderen Seite, wenn sich die Offiziellen zu Wort melden, darf immer mal wieder mindestens geschmunzelt werden. Es muss vielleicht sogar, denn Humor ist wohl die einzige Art und Weise, mit den abstrusen Situationen fertigzuwerden, die sich vor 50 Jahren abgespielt haben.

Keine Revolution, aber irgendwie schön
Am Ende gibt es in Die Reise mit Vater natürlich keine Revolution. Weder werden die Protagonisten etwas an der Gesamtsituation Rumäniens ändern, noch hat der Film selbst größere intellektuelle Ansprüche. Eine Diskussion über die damalige Zeit strebt Lazarescu gar nicht an, ebenso wenig eine reine Verdammung. Es handelt sich vielmehr um eine ruhige, genügsame Tragikomödie, die sich erinnern möchte. An das, was damals war. An die Menschen damals. Ein bisschen hat das Ergebnis dann auch etwas von einem Familienalbum: Mit ein bisschen Nostalgie und Melancholie kehren wir hier zurück in eine uns heute fremd erscheinende Welt, bevor wir uns im Anschluss wieder dem Alltag zuwenden.



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In „Die Reise mit Vater“ reist eine rumänische Familie in den späten 60ern durch den Ostblock und platzt mitten in den Prager Frühling. Der Film verknüpft hierbei Politisches mit Persönlichem, nutzt auch eigene autobiografische Züge, um Geschichte spürbar zu machen. Das ist am Ende nicht revolutionär, in seiner Mischung aus leisem Humor und individuellem Drama aber eine melancholisch-nostalgische Zeitreise.
7
von 10