(„Get Out“ directed by Jordan Peele, 2017)
Ein bisschen nervös ist Chris (Daniel Kaluuya) ja schon, die Eltern seiner Freundin Rose (Allison Williams) kennenzulernen. Sicher, die Beziehung läuft super! Und Rose betont auch ständig, wie offen und herzlich ihre Familie doch ist. Aber was, wenn die doch ein Problem damit haben, dass ihre weiße Tochter mit einem Schwarzen zusammen ist? Der erste Eindruck stellt sich aber als sehr positiv heraus. Roses Bruder Jeremy (Caleb Landry Jones) ist ein wenig seltsam, dafür sind Mutter Missy (Catherine Keener) und Vater Dean (Bradley Whitford) umso netter. Je länger Chris in dem Familienort bleibt, umso seltsamer erscheinen ihm jedoch die Bewohner der Kleinstadt. Reine Paranoia oder geht da wirklich etwas nicht mit rechten Dingen zu sich?
Inzwischen kann man sie ja kaum noch zählen, die vielen „Überraschungshits“: mit winzigem Budget produzierte Horrorstreifen, die ein Vielfaches wieder einspielen. Allein in den letzten zwölf Monaten machten Filme wie Split, The Shallows – Gefahr aus der Tiefe oder Lights Out mit ihrer ungemeinen Profitabilität von sich reden. Es wäre daher ein Leichtes, Get Out als nur ein weiteres Beispiel dieses Trends abzutun. Doch anders als die besagten oft etwas überbewerteten, letztendlich aber nur soliden Kollegen sind die überwältigend zahlreichen Vorschusslorbeeren hier tatsächlich gerechtfertigt – zu einem großen Teil zumindest.
Aus Spaß wird Todernst
Der erste bedeutende Unterschied: Jordan Peele, der hier sein Debüt als Regisseur gab und zudem das Drehbuch schrieb, ist von Haus aus eigentlich Komiker. Nun können Horrorfilme natürlich auch komische Seiten haben, mal geplant, mal weniger geplant. Anstatt aber wie viele Genrekollegen in erster Linie bewährte Horrorkonzepte zu übernehmen und mit lustigen Sprüchen anzureichern, ist das hier deutlich stimmiger und organischer miteinander verknüpft. Tatsächlich ist Get Out die erste Horrorkomödie seit Housebound, die beide Teile der Bezeichnung gleichermaßen verdient: Was Chris hier passiert, ist ebenso furchterregend wie witzig.
Vor allem aber ist Get Out ungemein clever. Vorbilder gibt es natürlich, aber Peele gelingt es, aus den Klischees und Allgemeinplätzen doch etwas Spannendes und Relevantes zu machen. Dass ein Ausflug ins amerikanische Hinterland tödlich enden kann, das haben viele Redneck-Slasher bewiesen – zuletzt Rob Zombie in 31 – A Rob Zombie Film, wo die Langeweile mehr Menschenleben fordert als die physischen Waffen. In Get Out gibt es aber keine gehirntoten Provinzler, sondern gebildete Mitglieder der Mittelschicht. Keine kahlrasierten Nazis, sondern freundliche Menschen, die immer eine Einladung zum Tee parat haben.
Der versteckte Rassismus des Alltags
Das ist dann auch das Verstörende an dem Film: Peele zeigt uns hier einen institutionalisierten Rassismus in den USA, der sich hinter einer blütenweißen Fassade versteckt. Der sich seiner selbst wohl nicht einmal bewusst ist. Einen erhobenen Zeigefinger braucht der Amerikaner dafür nicht einmal. Es reicht ihm hier, mal den Spieß umzudrehen, mit einem Augenzwinkern Klischees aufzuarbeiten. Dass Get Out daheim zu einem derartigen Monsterhit wurde, das liegt dann natürlich auch an der gesellschaftlichen Situation des Publikums. An der erschreckenden Weise, wie Rassismus wieder salonfähig geworden ist.
Ganz konsequent bis zum Schluss hält sich Peele dann aber doch nicht an seine Marschrichtung. Der verstörende, mit Anspielungen und Doppeldeutigkeiten arbeitende Realismus macht zum Ende hin noch einmal eine deutliche Kehrtwendung. Weg vom Alltag, hin zum Absurden, man könnte sogar sagen zum Trash. Und auch der allerletzte Twist ist eigentlich nur zweite Wahl, war ursprünglich anders – und effektvoller – geplant gewesen. Schade ist zudem, dass der zuvor so versierte Film, sehr unbeholfen das Finale einleitet. Da ist man selbst im plumpen Horrorgenre Besseres gewohnt. Aber auch wenn Get Out zum Ende hin strauchelt, es gibt so viele Szenen, die das Mischwerk zu einer echten Überraschung und einem Geschenk machen. Ob es der geniale Einsatz von Musik ist, traumatisch-surreale Erfahrungen mit einem Löffel oder die fabelhafte Besetzung – Catherine Keener (Can A Song Save Your Life?, Jackass: Bad Grandpa) und Komiker Lil Rel Howery als Kumpel von Chris allein sind schon das Kinoticket wert –, die Liste an Stärken ist lang und abwechslungsreich. Positiv ist zudem, dass die Hauptfigur tatsächlich einmal genreuntypisch intelligent und nachvollziehbar ist, was seine Erfahrungen für das Publikum umso greifbarer macht.
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