(„Pear Cider and Cigarettes“ directed by Robert Valley, 2016)
Seit ihrer Kindheit schon sind Robert und Techno miteinander befreundet, auch wenn Robert nicht immer genau wusste aus welchem Grund. Denn wenn Techno eines konnte, dann war es anderen das Leben zur Hölle zu machen. Nun ist es aber sein eigenes, das auf dem Spiel steht. Eine Lebertransplantation ist die letzte Möglichkeit für den schwer alkoholkranken Mann, noch einmal dem Tod von der Schippe zu springen. Und eben die soll er in einem Krankenhaus in China bekommen. Auf Bitte von Technos Vater macht sich Robert daher auf den Weg, seinem alten Freund beizustehen und anschließend mit nach Vancouver zu nehmen. So die Idee. Doch selbst am Rande des Todes sieht es Techno nicht wirklich ein, auf sein geliebtes Laster zu verzichten.
Filme miteinander zu vergleichen, das kann manchmal sehr einfach sein. Manchmal aber auch sehr schwer. Siehe Pear Cider and Cigarettes. Der war als eines von fünf Werken dieses Jahr für einen Oscar für den besten animierten Kurzfilm nominiert. Und doch ist Robert Valleys Adaption seiner Graphic Novel kaum mit den anderen Wettstreitern zu vergleichen. Das ist nicht zuletzt der Länge geschuldet: Rund 35 Minuten dauert der Mini, knapp an der Regelgrenze der Oscars. Und damit länger als alle anderen vier Filme zusammen.
Geduldig-gemächliches Porträt einer jahrelangen Freundschaft
Das spiegelt sich natürlich in den erzählerischen Ambitionen wieder. Wo manche Kollegen schon fertig sind, noch bevor sie wirklich angefangen haben, lässt sich der Kanadier sehr viel Zeit. Manchmal ist es vielleicht sogar ein bisschen zu viel Zeit, die durchaus gewollten Wiederholungen einzelner Szenen fordern mitunter etwas Geduld. Im Großen und Ganzen wird die aber belohnt, Pear Cider and Cigarettes ist ein mitreißendes Porträt einer jahrzehntelangen Freundschaft.
Nach und nach lässt uns Valley an dieser teilhaben. Mit der geplanten Transplantation geht es los, anschließend folgt der Filmemacher aber dem Pfad seiner Erinnerungen. Das meiste davon ist chronologisch. Ein wirklicher roter Faden entsteht dabei aber nicht. Stattdessen setzt sich aus den vielen Mosaiken ein Gesamtbild zusammen, das auch aufgrund der autobiografischen Hintergründe sehr real wirkt. Der Erzähler – und damit Valley selbst – bleibt dabei meist im Hintergrund, lässt uns dafür aber ausgiebig teilhaben an der faszinierenden Persönlichkeit seines Freundes, an dessen schnellen, exzessiven und zerstörerischen Leben.
Farbenfrohes, stilvolles Feuerwerk
Im starken Kontrast zu dem düsteren Inhalt ist das Drumherum ausgesprochen farbenfroh. Gewissermaßen. Nein, hübsch blaue Himmel oder einladend grüne Wiesen braucht hier natürlich niemand zu erwarten. Dafür experimentiert Valley viel mit Neonfarben, arbeitet manchmal auch nur in Schwarz-Weiß. Allgemein ist in Pear Cider and Cigarettes optisch immer etwas los: Perspektiven werden ständig verschoben, mit Ausschnitten herumgespielt. Dazu gibt es stark stilisierte Figurendesigns, bei denen klar wird, warum Valley den Südkoreaner Peter Chung (Aeon Flux) als Inspirationsquelle nennt. Und auch The Maxx schaut zwischendurch mal vorbei. Abgerundet wird das visuelle Feuerwerk von einem absoluten Killersoundtrack zwischen Hardrock und Alternative.
Dass Pear Cider and Cigarettes bei den Oscars am Ende leer ausging, ist nicht wirklich verwunderlich, allein schon des wenig kinderfreundlichen Inhalts wegen – Alkoholsucht ist nun mal kein besonders schönes Thema. Aber das kleine Kunstwerk ist neben Blind Vaysha der mutigste, erwachsenste und auch beste Beitrag des Quintetts. Wo beispielsweise Borrowed Time den Emotionsknüppel schwingt, vertraut Valley der Macht der Worte. Und es sind Worte, die einen manchmal fassungslos, am Ende am Boden zerstört zurücklassen. Wer Anfang Mai das Internationalen Trickfilm Festival in Stuttgart besucht, sollte sich die Geschichte einer besonderen Freundschaft daher nicht entgehen lassen: So kunstvoll und lebendig gleichzeitig geht es in diesem Bereich nur selten zu.
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