(„Rudorufu to Ippaiattena“ directed by Kunihiko Yuyama, Motonori Sakakibara, 2016)
Das Leben kann so schön sein! Zumindest für Rudolf. Okay, so wahnsinnig viel hat er vom Leben noch nicht gesehen, dafür ist der Kater zu jung und auch zu behütet in der Kleinstadt Gifu aufgewachsen. Aber er hat eine Menschenfamilie, die sich liebevoll um ihn kümmert. Oder es zumindest getan hat, bis Rudolf von der Nachbarskatze angestachelt doch einmal die Welt außerhalb des eigenen Gartens anschauen will. Durch eine Verstrickung blöder Zufälle landet er auf einmal im weit entfernten Tokio und hat nun so gar keine Ahnung mehr, wie er nach Hause kommen soll. Zu seinem Glück trifft er dabei jedoch auf den Streuner Ippaiattena, der ihn in das Leben auf der Straße einführt.
Japan gilt ja als eine der wenigen Trotzburgen des Animationsbereiches, der bei all der allgegenwärtigen Computergrafik noch auf Handgezeichnetes vertraut. Dann und wann gibt es sie aber natürlich, die fernöstlichen CGI-Werke. Die meisten davon finden stilecht im Science-Fiction-Umfeld statt (Appleseed). Dass aber auch klassischen Geschichten Bilder aus dem Rechner ganz gut stehen können, das beweist Rudolf the Black Cat. Sicher, mit den amerikanischen Vorbildern von Disney oder Pixar kann es der japanische Kollege nicht aufnehmen. Der in Gemeinschaftsarbeit zwischen OLM (Mini-Göttinnen, Yo-kai Watch) und Sprite Animation Studios entstandene Anime gefällt aber durch dynamische Kamerafahrten, putzige Designs und kleinere Details aus dem japanischen Alltag.
Mehr als ein bloßer Abklatsch
Aber auch inhaltlich kann Rudolf the Black Cat durchaus überzeugen. Die Geschichte selbst kommt westlichen Animationsfans natürlich bekannt vor, klingt wie eine Mischung aus Pets und Findet Nemo. Um einen bloßen Abklatsch der US-Blockbuster handelt es sich hierbei aber nicht. Vielmehr bildet ein Kinderbuch des Autors Hiroshi Saitō die Grundlage für den Film. Und wenn der den kleinen Kater auf eine große Reise schickt, dann nicht, um von einem absurden Abenteuer ins nächste zu stolpern und dabei in allerhand komische Situationen zu geraten.
Humor gibt es hier zwar auch, aber der ist eher zurückhaltend. Stattdessen wird hier die Welt durch staunende Kinderaugen gesehen, die beim Herumstreifen durch die Straßen von Tokio allerhand lernen können. Tatsächlich ist es bemerkenswert, wie sehr man hier um pädagogischen Mehrwert bemüht war. Das fängt schon damit an, dass der kräftige Ippaiattena Schriftzeichen lesen kann, was ihm beim Leben auf der Straße eine ganze Menge nützt – auch bei seinem größten Hobby, der Futtersuche. Und dieses Wissen will er an seinen kleinen Freund weitergeben. Aber auch biologische und geografische Kenntnisse werden vermittelt, auf eine visuell sehr nette Art: Die beiden Kater fliegen beim Anschauen durch ein Lehrbuch für Kinder.
Netter Animationsfilm für Kinder
Die Ausrichtung an eine junge Zielgruppe bleibt bis zum Schluss, der pädagogische Anspruch hält sich leider aber nicht über die gesamten anderthalb Stunden. Zwischenzeitlich darf es noch ein paar Konflikte geben, ein bisschen Spannung, ein bisschen Liebe. Aber auch ein bisschen Langeweile, im letzten Drittel sinkt die Unterhaltungskurve ein wenig. Zumindest beim etwas überraschenden Ende zeigt der von Kunihiko Yuyama (Pokémon – Der Film, GoShogun: The Time Étranger) und Motonori Sakakibara (Final Fantasy – The Spirits Within) inszenierte Film jedoch wieder, dass es durchaus Alternativen zum amerikanischen Blockbusterschema gibt. Daheim war der Film übrigens ein beachtlicher Kassenerfolg und auch für den Japanese Academy Prize als bester Animationsfilm nominiert. Nach einem Auftritt bei den Fernostspezialisten von Nippon Connection im Rahmen der 17. Ausgabe des jährlichen japanischen Filmfestivals steht am 4. Dezember 2017 der Release fürs Heimkino an.
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