(„The Dark Tapes“ directed by Vincent J. Guastini and Michael McQuown, 2017)
Ein Klartraum bezeichnet den Zustand, bei dem sich der Schlafende darüber bewusst ist, dass er träumt. Dementsprechend kann er nach eigenem Befinden handeln und entscheiden. Ein utopischer Spielplatz, den manche durch jahrelanges Training und gezielte Meditation zu erreichen versuchen. Dem gegenüber steht die Starre der Schlafparalyse, zwischen Traum und Realität gefangen, bei der viele furchteinflößende Gestalten gesehen haben wollen. Ein Mysterium, das bis heute Rätsel aufgibt und dennoch so viele Gemeinsamkeiten in seinen Erzählungen birgt.
Diesem Mythos will eine kleine Forschergruppe bei einem Selbstversuch auf den Grund gehen, mit dem Ziel, aufschlussreiches Material für zukünftige Studien zu sammeln. Als aus dem Schlafexperiment ein realer Alptraum wird, finden sie sich in einer grotesken Parallelwelt wieder, in der es keine Auswege zu geben scheint und sie nicht alleine sind. Zurück bleibt ihre Kamera, auf der sich neben ihren verzweifelten Hilferufen auch Bildmaterial anderer Opfer und Heimgesuchten befindet. Der vermeintliche Einzelfall entfaltet sich episodisch zu einem größeren, eng miteinander verwobenem Gesamtbild, welches dem Phänomen ein tödliches Gesicht verleiht, das uns bis in den Schlaf verfolgt.
Je mehr, desto besser?
Die Episoden teilen sich in vier grundlegende Erzählstränge auf: To Catch a Demon zeigt das Schlafexperiment, welches zugleich in immer wiederkehrenden Sequenzen die Hauptgeschichte darstellt. Neben einigen interessanten Theorien rund um die Schlafparalyse, nimmt die Erzählung schnell fahrt auf und das erste Wesen aus der anderen Welt lässt nicht lange auf sich warten. The Hunters and The Hunted erinnert schon eher an die üblichen Verdächtigen des Genres, lässt den Zuschauer jedoch durch einen gelungenen Twist gekonnt auflaufen. Cam Girls versetzt einen in die voyeuristische Perspektive einer erotischen Cam Show, bei der sich ein besessenes, lesbisches Paar interaktiv vergnügt und sich für eine masochistische Einlage einen glücklichen Besucher aussucht. Der letzte Abschnitt Amandas Revenge befasst sich derweil wieder direkt mit dem Schlafphänomen, welches die jugendliche Amanda seit einem Zwischenfall auf einer Party nicht mehr loslässt. Sie will sich gegen die nächtlichen Eskapaden wehren und trifft mit Hilfe eines Freundes die notwendigen Vorkehrungen.
Die Ansammlung verschiedener Episoden bringt vor allem ständige Abwechslung und die half auch schon dem Film V/H/S (2012), frischen Wind in die angestaubten Genrezimmer zu wehen. Beließ der es jedoch bei einzelnen aneinandergereihten Videosequenzen, versucht The Dark Tapes dem Chaos Herr zu werden. Immer wieder werden die Erzählungen auf denselben Nenner zurückgebracht, die Wesen aus der anderen Welt, wirkt aber nicht selten gezwungen und unnötig beengt. Dabei lässt die übergeordnete Prämisse den Zuschauer zunächst aufmerksam die Ohren spitzen. Es folgt ein starker erster Akt im scheinbar verfluchten Haus einer neu eingezogenen Familie, mit glaubwürdigen Dialogen und durchaus sehenswerten Schauspielerdarbietungen, die einen mit selbigen Ohren schlackern lassen.
Viel Pfui trotz anfänglichem Hui
Dann erlebt der Film einen drastischen Qualitätseinbruch, der den wohl größten Grusel bis dato darstellt. Weitere Abschnitte wirken plastisch, amateurhaft und lassen einen das anfängliche Hoch in Windeseile vergessen. Sobald die ersten Spukgespenster in Spandexanzügen über den Bildschirm huschen, ist es mit der Gruselstimmung endgültig vorbei. Weniger ist doch oft mehr und fast immer ist es die Atmosphäre des vermeintlichen Horrors, der den eigentlichen Angstschweiß auslöst und nicht das zigste Schreckgespenst, das einem unmotiviert vor die Linse springt. Mit unbeholfenen Kamerawacklern und künstlichem Technikrauschen versucht man den Billighorror zwar zu retuschieren – erfolglos . Zieht man sich vergleichsweise den deutschen UFO – Es ist hier zur Seite, sieht man, dass es auch ohne großes Budget und CGI-Schnickschnack geht, solange die Idee und die Prioritäten stimmen. Dem episodischen Ablauf der Geschichte ist es zudem geschuldet, dass die Handlung nach gewissen Höhepunkten neu ansetzen muss und somit den Spannungsbogen immer wieder unterbricht. Ein Stottergrusel mit unausgeschöpftem Potenzial.
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